Jubilee Signet

Aus Freude am Fahrradfahren: Gebrauchte Fahrräder

Author: Georg Weinand

18. Juni 2025 Mobilität / Sicherheit im Verkehr

Gebrauchte Fahrräder locken mit niedrigen Preisen. Sparfüchse sollten beim Kauf jedoch genau aufpassen, denn nicht jedes Bike hält später, was es verspricht.

Endlich Sommer, spätestens jetzt ist es Zeit, das eigene Fahrrad aus dem Keller zu holen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Wer noch keins hat, muss nicht gleich tief in die Tasche greifen, denn es gibt mittlerweile analog wie digital viele Möglichkeiten, günstige gebrauchte Fahrräder in verschiedenen Preisklassen zu erwerben.
Doch Vorsicht, der Gebrauchtradkauf kann seine Tücken haben, das gilt genauso für die oft als E-Bike bezeichneten Pedelecs wie für klassische Räder ohne Hilfsmotor. Marc Gölz und Tilo Eilers kümmern sich bei DEKRA seit Jahren um alle Dinge rund ums Fahrrad und können auf eine tiefgreifende Erfahrung aus Schadengutachten zurückgreifen.

Mehr Unfälle, höhere Schäden

„Die Anzahl der Unfälle mit Fahrrädern hat in den vergangenen Jahren permanent zugenommen“, weiß Marc Gölz, Produktmanager Fahrradschadengutachten bei DEKRA. Das habe nicht nur damit zu tun, dass viel mehr Fahrradfahrer als früher auf den Straßen unterwegs sind. „Es gibt auch vermehrt Alleinunfälle, weil viele Radfahrer mit Pedelecs wenig Fahrerfahrung haben und ihr Rad und ihre Geschwindigkeit nicht richtig einschätzen können.“
Auch der Charakter und die Höhe der Schäden haben sich mit dem Aufkommen der Pedelecs stark verändert. „Durch teure Materialien wie Carbon und die mittlerweile weit verbreiteten E-Antriebe hat sich die Schadenhöhe enorm erhöht. Ein Schaden am E-Motor kann durchaus bei 700 bis 1.000 Euro liegen. Auch die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit lässt die Schadenhöhen steigen“, erklärt Tilo Eilers, Fahrradsachverständiger bei DEKRA.
Carbon, das Material, das auch Pedelecs einige Kilo leichter macht, hat zudem spezielle Eigenschaften. Ein Schaden an einem Carbonrad ist nicht nur wesentlich teurer als an einem vergleichbaren Stahl- oder Alurad, sondern auch wesentlich schwerer zu identifizieren. „Bei Carbon kann der Rahmen nach einem Unfall äußerlich nahezu unversehrt aussehen. Risse und Delaminationen – also die Trennung der Verklebung der einzelnen Carbonlagen durch Überlastung – treten im Innern auf und sind für Laien oft nicht erkennbar“, beschreibt Tilo Eilers das Problem. Auch Schadengutachter könnten solche Schäden oft nur durch teure bildgebende Verfahren wie Computertomografie feststellen.

Gebrauchtrad – wo kaufen?

Umso wichtiger wird deshalb die Frage, wo man ein gebrauchtes Rad kaufen sollte, ohne dabei im Nachhinein unangenehme Überraschungen zu erleben. Am zuverlässigsten – so Götz und Eilers unisono – ist der Kauf beim Fachhändler: Zwar sind die Preise hier etwas höher, doch dafür erhält man geprüfte Qualität. Viele große Fahrradmärkte haben inzwischen eigene Secondhand-Abteilungen, in denen die Räder vor dem Verkauf fachmännisch überholt werden. Fehlendes Zubehör kann oft direkt ergänzt werden, man erhält eine professionelle Beratung, kann mehrere Modelle vor Ort testen und profitiert von der gesetzlichen Sachmängelhaftung von mindestens einem Jahr.
Die Möglichkeit einer Probefahrt sollte man auf jeden Fall nutzen. „Auf diese Weise kann man das Fahrrad besser kennenlernen, das gilt insbesondere für Pedelecs oder elektrisch angetriebene Lastenräder, deren Fahrverhalten eingeübt werden sollte“, sagt Marc Gölz. Einen weiteren Vorteil für Käufer von E-Bikes kennt Tilo Eilers: „Beim Fahrradhändler kann man das Motorsystem eines Pedelecs elektronisch auslesen lassen, um den Zustand des Akkus festzustellen. Wie gut ist die Leistung des Akkus noch? Ab 300 bis 400 Ladezyklen ist der Akku unserer Erfahrung nach meist ziemlich am Ende.“

Privatkauf birgt Risiken

Wer privat kauft – etwa über Kleinanzeigen oder über Online-Portale – findet mit etwas Glück ein günstiges Angebot, muss aber genauer hinschauen. Eine Probefahrt ist in solchen Fällen oft nicht möglich, und es gibt keine Gewährleistung. Wichtig ist – besonders im privaten Bereich – den Verkäufer genau unter die Lupe zu nehmen. Ein gepflegtes Fahrrad und ein offener, auskunftsfreudiger Anbieter sind gute Zeichen. Sehr wichtig sind Fragen nach dem Alter des Rads, der Laufleistung, bisherigen Reparaturen, dem Wartungsintervall und der Aufbewahrung (z. B. draußen oder im Trockenen). Auch die Anzahl der Vorbesitzer und eine vorhandene Originalrechnung geben Aufschluss über die Geschichte des Rads.
Kann das Rad vor dem Kauf vor Ort besichtigt werden, sollte es vom Kaufwilligen sorgfältig geprüft werden: Sind Vorder- und Hinterrad in einer Linie? Funktionieren die Bremsen und Ritzel einwandfrei? Dreht sich das Tretlager leicht? Schleift etwas beim Schieben? Gibt es Rost, Kratzer, verschlissene Reifen oder defekte Bauteile? Kontrollieren Sie Rahmen und Schweißnähte auf Risse. Unverzichtbar ist eine Probefahrt: Lassen sich die Gänge leicht und präzise schalten? Funktionieren Bremsen und Federung? Ist das Licht intakt? Und fühlt sich das Rad insgesamt sicher und stabil an?
Bei Pedelecs sollte man zudem auf untypische Motorengeräusche wie lautes Sägen, Quietschen oder Knacken achten. Die Beschaffenheit der Pedale kann ebenfalls ein Qualitätsindikator sein: Macken und Kratzer sind hier nur vorhanden, wenn das Bike bereits einmal oder mehrmals umgefallen ist. Das könnte die Sensorik im Tretlagerbereich beeinträchtigt haben.

Achtung, Falle! Fakeshops und Diebesgut

Beim Kauf gebrauchter Fahrräder im Internet sollten Käufer besonders wachsam sein, denn die Zahl betrügerischer Fake-Shops nimmt zu. Diese unseriösen Anbieter wirken oft professionell, locken mit extrem günstigen Preisen und bieten meist nur Vorkasse als Zahlungsoption an – ein klares Warnsignal. Ein fehlendes oder unvollständiges Impressum, falsche Kontaktdaten oder Zahlungsaufforderungen auf ausländische Konten sind weitere Hinweise auf Betrug. Hilfreich ist zudem die Warnliste der Verbraucherzentrale Hamburg, die regelmäßig vor aktuellen Fake-Shops warnt.
Ein weiteres Risiko ist der unbeabsichtigte Kauf eines gestohlenen Fahrrads. Daher ist es wichtig, Fahrräder nur von nachvollziehbaren, namentlich bekannten Verkäufern zu erwerben. Zusätzlichen Schutz bieten Rahmennummern, die von der Polizei über die Inpol-Sachfahndungsdatei überprüft werden können. Aber hundertprozentige Sicherheit gibt es hier nicht: „Fahrraddiebstähle werden leider nicht zentral registriert. Und Rahmennummern können gefälscht werden, da hilft nur eins: im Fachhandel kaufen“, sagt Tilo Eilers. Immerhin: „Trackinglösungen, die im Rad verbaut werden, können den Standort des Rades feststellen und bieten zumindest die Möglichkeit, das Fahrrad wieder aufzuspüren“, ergänzt Marc Gölz.

Kaufvertrag nicht vergessen

Auch beim Kauf eines gebrauchten Fahrrads sollte unbedingt ein schriftlicher Kaufvertrag abgeschlossen werden – egal ob privat oder beim Händler. Darin sollten wichtige Angaben wie Rahmennummer, Name und idealerweise auch die Ausweisnummer des Verkäufers festgehalten werden. Käufer sollten sich vorhandene Unterlagen wie Kauf- oder Reparaturrechnungen aushändigen lassen, um die Herkunft des Rads nachvollziehen zu können. Eine detaillierte Beschreibung des Fahrrads im Vertrag hilft, spätere Streitigkeiten über Mängel zu vermeiden. Im Gegensatz zu privaten Verkäufern dürfen Händler die Sachmängelhaftung nicht ausschließen und müssen für mindestens ein Jahr für Mängel einstehen, die bei Übergabe bestanden.
Bleibt nur noch die Frage nach dem angemessenen Preis. Tilo Eilers rät: „Vor dem Kauf sollte man sich einen Überblick auf den verschiedenen Online-Portalen und Händlerseiten schaffen, um festzustellen, ob der Preis des Rads passt.“ Und er hat eine gute Botschaft für alle, die jetzt noch ein E-Bike benötigen: „Der Gebrauchtradmarkt für Pedelecs könnte im Sommer 2025 angenehme preisliche Überraschungen bereithalten. Viele Leasingverträge aus der Coronazeit laufen aus und es wird ein vergrößertes Gebrauchtradangebot auf dem Markt erwartet, was die Preise drücken könnte.“
Fahrradgutachten vor dem Kauf
Ob Mountainbike, Renn-, Fahrten- oder Lastenrad, Pedelec, Urban Bike oder Kinderfahrrad – damit beim Kauf oder Verkauf der Wert des Fahrrads richtig eingeschätzt werden kann, unterstützt DEKRA mit neutralen Fahrradgutachten und -bewertungen: www​.dekra​.de/fahrradgutachten