Wie halte ich mein Gehirn fit?

Author: Thorsten Rienth

08. Nov. 2023 Sicherheit bei der Arbeit

Wir sind müde, können uns schlecht konzentrieren oder haben etwas übersehen. Wenn wir am Arbeitsplatz nicht voll bei der Sache sind, passieren Fehler. Die gute Nachricht: Wir können gegensteuern, um das Gehirn fit zu halten.

Manchmal ist es nur ein kleiner Zahlendreher, der großen Schaden anrichtet. Ein anderes Mal kann eine Unachtsamkeit wie etwa beim Bedienen einer Maschine zu Verletzungen führen. Oder wir gehen so im Multitasking unter, dass wir in der Eile eine falsche Entscheidung treffen. Solche Situationen in der Arbeitswelt sind menschlich, wir müssen sie aber nicht herausfordern.
Synapsenanzahl lässt sich erhöhen
Das Gehirn eines Babys ist bei der Geburt mit ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen ausgestattet. Zwischen 10.000 und 100.000 dieser Neuronen sterben im Laufe des Lebens ab. So gesehen büßt unser kompliziertestes Organ Tag für Tag an Leistungsfähigkeit ein. Die Fähigkeit zum Multitasking sinkt. Das Erinnerungsvermögen verringert sich. Die Stressresilienz lässt nach. Ausgerechnet aber im Job steigt in der Regel mit zunehmendem Alter die Verantwortung der Tätigkeiten.
Die gute Nachricht: Dem tausendfachen Neuronensterben lässt sich gegensteuern. „Für unsere geistige Leistungsfähigkeit ist die schiere Anzahl der Neuronen nur zum Teil entscheidend“, erklärt die DEKRA Fachärztin für Arbeitsmedizin, Dr. med. Mascha Manegold. „Der andere Teil hängt von der Effizienz ab, wie die Nervenzellen miteinander arbeiten.“
Dafür wiederum sind die Synapsen wesentlich. Als Verbindung zwischen zwei Nervenzellen sorgen sie für die Informationsübertragung. „Anders als die Zellen selbst können wir die Anzahl der Synapsen durch gezieltes Training erhöhen – und damit unsere Gehirnleistung verbessern“, erklärt Manegold. Das Gehirn wachse mit seinen Aufgaben, mache weniger Fehler. Man liest auch oft: Das Gehirn lässt sich trainieren wie ein Muskel.
Zielgerichtetes Training verbessert die Gehirnleistung eindeutig
Eine Vielzahl an internationalen Studien bestätigt diesen Zusammenhang zwischen kognitivem Training und gesteigerter Gehirnleistung. Zu den bekanntesten gehört die Langzeitstudie ACTIVE (Advanced Cognitive Training for Independent and Vital Elderly) unter der Leitung des US-amerikanischen New England Research Institutes (NERI). Auch die Johns Hopkins University in Baltimore sowie die Pennsylvania State University waren beteiligt.
Über zehn Jahre hinweg verglichen die Wissenschaftler die geistige Fitness von Senioren. Zum Start betrieb die Gruppe ein mehrere Wochen langes „Gehirnjogging“. Die Kontrollgruppe nicht. In puncto Verarbeitungsgeschwindigkeit und Gedächtnis war die Verbesserung der Gehirnleistung in der Größenordnung zwischen etwa 49 und 62 Prozent wahrlich bemerkenswert. Der Trend hält noch Jahre nach dem Trainingszeitraum an – wenngleich mit langsam abnehmendem Effekt.
Auch fürs menschliche Gehirn gilt: Wer rastet, der rostet
Manegold überrascht das nicht. Denn auch fürs menschliche Gehirn gilt: Wer rastet, der rostet. Nicht beanspruchte Synapsen bilden sich zurück, das dreidimensionale Netz aus Nervenzellen schrumpft. Die Gehirnleistung nimmt folglich wieder ab.
Die Ärztin verweist auf Gehirnjogging-„Apps“, die mittlerweile auch oft kostenlos in den „App“-Stores verfügbar seien. „Die Spielchen machen auch mir als Erwachsener richtig Spaß.“ Zwischen zehn Minuten und einer Viertelstunde am Tag würden für spürbare Verbesserungen bereits genügen. Die Mischung macht‘s. Logikrätsel, Sudokus oder Knobelaufgaben, Memorys, Wortsuchen oder Kreuzworträtsel. Auch das Lernen von Fremdsprachen wirkt wie Dünger für das Wachstum neuer Synapsen.
Wichtig aus Sicht der Arbeitsmedizinerin: dem Training die volle Aufmerksamkeit schenken. Nicht nebenher einen Film schauen. Nicht in der voll besetzten U-Bahn üben. „Dann speichert das Gehirn schneller und besser.“ Daneben gibt es ein paar weitere einfache Dinge zu beachten, um mit voller Konzentration seine To-dos zu erledigen: ausreichend und erholsamer Schlaf, eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Pausen und ab und zu ein bisschen Bewegung am Arbeitsplatz.
Sauerstoffreiches Blut im Gehirn erleichtert Neubildung von Synapsen
Apropos: Ortswechsel nach Großbritannien, wo eine Übersichtsstudie mit rund 4.500 Probanden die Auswirkung von Bewegung auf die Gehirnleistung untersuchte. Wer neun Minuten Herumsitzen mit intensiver körperlicher Aktivität tauscht, verbessert sein Arbeitsgedächtnis signifikant. Am stärksten zeigt sich der Effekt laut Studie bei Planungs- und Organisationsprozessen – und zwar unabhängig von demografischen Faktoren und den üblichen Lebensstilfaktoren wie Alkoholkonsum oder Rauchen. Die wissenschaftliche Erklärung: Ein hoher Puls pumpt mehr sauerstoffreiches Blut ins Gehirn. Das erleichtert dem Organ die Neubildung von Synapsen.
Leider wies die Studie auch den Umkehrschluss nach. Ersetzt jemand acht Minuten intensive körperliche Aktivität durch sechs Minuten leichte Tätigkeit oder sieben Minuten Schlaf, gehen die kognitiven Fähigkeiten umgehend zurück.