Freizeit-Boote sind beliebt
Author: Hannes Rügheimer
Die Zahl neuer Sportboote steigt weltweit stetig. Der Zuwachs an Freizeitkapitänen und ihren Booten in allen Größenklassen hat jedoch mehr Bootspannen und Havarien zur Folge. Dafür muss sich auch die DEKRA Abteilung DEKRAmaritim rüsten.
Freizeitkapitänen geht es derzeit kaum anders als den Käufern von Autos, Hausgeräten oder Unterhaltungselektronik: Die Nachfrage nach Sportbooten aller Größen ist immens, die Lieferzeiten neu bestellter Boote und Schiffe bemessen sich zum Teil in Jahren, und der Gebrauchtmarkt ist praktisch leergefegt. Natürlich spielt sich dieser Boom auf niedrigerem Zahlen-Niveau ab als bei Pkw & Co., dennoch sind die Steigerungsraten beeindruckend: Stagnierte der Besitz eines motorisierten Sportboots laut dem Statistikportal Statista von 2018 bis 2020 bei etwa 220.000 privaten Bootsbesitzern in Deutschland, stieg die Zahl im Jahr 2021 auf 240.000 (+9 Prozent) – und bis Ende 2022 sollen es laut Statista gar 280.000 (+27 Prozent gegenüber 2020) werden.
In Frankreich wurden 2021 rund 13.000 neue Boote verkauft, im Vergleich zu knapp 11.000 Neuzulassungen 2020. Diese Angabe enthält allerdings sowohl motorisierte Boote als auch Segelboote. Weltweit wurden 2020 laut dem Marktforschungsinstitut Interconnection Consulting rund 180.000 neue Sportboote gekauft. Im Jahr 2021 wuchs diese Zahl demnach auf rund 216.000 und für 2022 werden rund 281.000 erwartet.
In einem Punkt sind sich alle Erhebungen einig: Den Boom verdankt die Sportboot-Branche vor allem der Covid-19-Pandemie. Schon früh kursierte in der Szene der Spruch „Das Virus kann nicht schwimmen“. Gemeint war, dass Familienurlaube von Hausboot bis Yacht eine Chance boten, den eigenen vier Wänden zu entfliehen, ohne allzu nahen und häufigen Kontakt zu anderen Menschen zu riskieren. So entschieden sich viele, die es sich leisten konnten, in ein eigenes Sportboot zu investieren.
Mehr Bootspannen und Havarien
Mit dem Boom einher geht allerdings auch eine deutliche Zunahme an Bootspannen und Havarien – und zwar im Verhältnis deutlich öfter, als es sich allein durch die steigenden Besitzerzahlen erklären lässt. So berichtet Wolfgang Dauser, Besitzer und Geschäftsführer des See-Pannendienstes SeaHelp: Im Jahr 2021 musste sein Unternehmen viermal so häufig helfen wie noch im Jahr zuvor – die Zahl der Einsätze summiert sich im ganzen Jahr auf deutlich über 1.000. Eine vermuteter Hintergrund: Durch Pandemie und Lockdowns blieben vor allem vor dem Einwintern viele der erforderlichen Servicearbeiten liegen. Mit der Folge, dass erfahrene wie frischgebackene Bootsbesitzer mit ungenügend oder gar nicht gewarteten Schiffen in See stachen. Zur Panne führten dann heiß gelaufene Motoren durch zugewachsene Kühlwasseranlagen oder verunreinigten Kraftstoff – oder durch ungünstige Lade-Behandlung vorzeitig verschlissene Batterien.
Auch Jo Becker, Sachverständiger für Bootsbau bei DEKRAmaritim, berichtet von Corona-Folgen in seiner Tätigkeit: „Zuletzt sahen wir auch eine deutliche Zunahme von Havarien.“ Die Schäden, die Jo Becker und seine Kollegen im Auftrag von Bootseignern oder auch Schiffsversicherungen begutachten, reichen von kleinen Remplern beim Rangieren im Hafen bis zu erheblichen Schäden etwa durch Kollisionen oder Auflaufen der Schiffe auf Klippen, Sandbänke oder andere Untiefen. Bisweilen, berichtet Jo Becker, lassen sich solche Fälle auch klar darauf zurückführen, dass sich frischgebackene Schiffseigner einfach überschätzt haben.
Fachkundige Begleitung von Reparaturen und Restaurierungen
Die Abteilung DEKRAmaritim, die organisatorisch unter dem Dach von DEKRA Automobil läuft, hat Jo Becker seit 2010 aufgebaut, zunächst praktisch im Alleingang. Heute arbeitet er mit rund 20 spezialisierten Kollegen zusammen. Gutachten erstellt das Team nicht nur bei Havarien, sondern etwa auch im Auftrag von Bootskäufern, für berufsgenossenschaftliche Betriebs- und Sicherheitsprüfungen oder auch im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamts. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt ist die fachkundige Begleitung von Reparaturen oder Restaurierungen. Wenn es etwa darum geht, bald hundertjährige edle Yachten zu restaurieren, braucht es viel Fachwissen beim Austarieren zwischen Originalausrüstung und zeitgemäßer Technik – inklusive der Kenntnis über die dafür gültigen Bestimmungen und Normen.
„Über die Jahre ist da ein wahrer Erfahrungs- und Datenschatz zusammengekommen. In über zehn Jahren gab es zu unseren Leistungen keine Reklamation“, betont Jo Becker. Eigentlich stünde im Herbst 2022 sein Ruhestand an. „Aber ich habe noch mal um zwei Jahre verlängert“, betont der Bootsbau-Experte. Die zusätzliche Zeit will er nutzen, um weiteren Nachwuchs für weitere DEKRA Niederlassungen zu finden und auszubilden. Mehr Informationen über die Leistungen von DEKRAmaritim gibt es unter www.dekra.de/gutachten-sportschiffe.
Von Jolle bis Yacht – kleines 1×1 der Bootstypen
Sportboot – In diese Kategorie fallen Freizeitboote aller Art. Die motorisierten Vertreter werden nach weiteren Typisierungen unterschieden, zum Beispiel in Bowrider, Runabout oder Daycruiser sowie in kleinere Sportyachten. Die in Europa gültige CE-Sportbootrichtlinie kennt Längen von 2,5 Meter bis 24 Meter. Wer ein Sportboot auf offener See nutzen möchte, braucht ein Boot mit „CE-Seetauglichkeitskategorie A“. Sie bestätigt, dass das Boot Windstärken bis 8 Beaufort und Wellenhöhen über 4 Meter aushält. Die weniger anspruchsvollen Kategorien B bis D sind für Fahrten in küstennahen Gewässern bei geringeren Windstärken und Wellenhöhen ausgelegt. In anderen Teilen der Welt gelten zum Teil andere Klassifizierungen.
Segelboot – Unabhängig von der Länge bezeichnet dieser Begriff alle Sportboote, die hauptsächlich vom Wind angetrieben werden. Ob zum Führen eines solchen Bootes ein Segelschein erforderlich ist, ist regional unterschiedlich geregelt und hängt in erster Linie von der Segelfläche ab. Um vor allem in Häfen oder bei Flaute manövrieren zu können, verfügen viele Segelboote zumindest über einen Hilfsmotor. Wenn das Boot mit einem Motor mit einer Leistung von mehr als 15 PS ausgestattet ist, braucht der Skipper auf jeden Fall einen passenden Segel- beziehungsweise Bootsführerschein. Die kleinsten Vertreter dieser Bootskategorie heißen in der Fachsprache „Jolle“. Verfügt ein Segelboot über eine Koje und eine Pantry (Küche), wird es als „Kreuzer“ bezeichnet. Gibt es gleich mehrere Decks und wächst die Länge auf über 10 Meter, spricht man von einer Segelyacht. Bisweilen werden die Bootstypen auch nach der Rumpfform unterschieden – Fachleute sprechen dann von S-Spant, U-Spant und Knickspant. Eine wieder andere Kategorisierung orientiert sich an der Takelage und unterscheidet dann Einmaster, Zweimaster etc.
Motorboot – Motorisierte Boote, die nicht länger als 15 Meter sind und über eine Motorleistung von nicht mehr als 15 PS (11 kW) verfügen, dürfen über 16-jährige in vielen Fällen sogar ohne Bootsführerschein fahren. Von dieser Regel gibt es Ausnahmen, etwa in Deutschland auf Rhein oder Bodensee – und eine ausgiebige Einweisung mit einigen Trainingsstunden sollte dem ersten Bootsausflug dennoch vorausgehen. Mit Bootsführerschein dürfen die Motorboote auch größer und schwerer werden.
Motoryacht – Von dieser Kategorie spricht man häufig schon ab einer Bootslänge von 9 Metern. Nach oben gibt es kaum Grenzen, die längsten Luxusyachten messen über 150 Meter. Kleinere Modelle sind häufig auf spezielle Freizeitaktivitäten ausgelegt, etwa fürs Angeln oder für die Teilnahme an Regatten. Motoryachten mit Doppelrumpf werden als Motorkatamarane bezeichnet.