Außergewöhnliche Straßen dieser Welt

Author: Thorsten Rienth

12. Apr. 2023 Mobilität der Zukunft

Rund um den Globus verbinden Straßen Städte, Regionen, Länder – und bei so mancher Trasse liegen Traum und Alptraum nahe beisammen. Ein Überblick über Schönes und manchmal Schreckliches.

Aloha! Natürlich lohnt es sich, am Ho’okipa Beach auf der hawaiianischen Insel Maui einen Strandnachmittag einzulegen. Der Strand gehört zu den Surfer-Hotspots der Insel schlechthin. Man könnte aber auch einfach weiterfahren. Bei der Straße dorthin handelt es sich nämlich um den Hana Highway – eine der spektakulärsten Verbindungen im gesamten pazifischen Raum. Von Kahului, der größten Stadt der Insel, geht es entlang der Nordküste über 103 Kilometer zum kleinen Örtchen Hana. Über 54 Brücken und fast 600 Kurven schlängelt sich die „Road to Hana“ auf bis zu 422 Meter Höhe oberhalb der Brandung. Als Geheimtipp geht die Strecke jedoch nicht mehr durch: Etwa 1.000 Autos passieren den Highway täglich. Wer nicht im Mietwagenstau stehen will, unternimmt die Fahrt nicht am Wochenende und startet am besten noch vor Sonnenaufgang.
Ebenfalls am Meer, allerdings nur knapp über dem Meeresspiegel, verläuft in Mittelnorwegen die als schönste Straße Europas geltende Atlantikstraße. Beim sogenannten Atlanterhavsveien handelt es sich um einen gut acht Kilometer langen Abschnitt der norwegischen Reichsstraße 64. Nicht nur im James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ ist die Straße zu sehen, sondern auch in zahlreichen Werbespots – oft solchen für Autos, Motorräder oder Wohnmobile. Zufall ist das nicht: Der Atlanterhavsveien verbindet in weiten Kurven mehrere kleine Inseln und führt über acht Brücken. Er verläuft also größtenteils direkt über dem Meer. Spielt das Wetter nicht mit, ist Vorsicht angesagt: Bei stürmischer See können Wellen bis auf den Asphalt brechen.
Overseas Highway: Straße zur Sonne und Fluchtroute vor dem Hurrikan
Ein ähnliches Straßenhighlight lässt sich auch in anderen klimatischen Gefilden genießen, und zwar auf dem Overseas Highway in Florida. Dieser südlichste Abschnitt des U.S. Highway 1 bringt es auf 203 Kilometer und endet als Straße zur Sonne nach ausgiebigem Inselhopping in der lässig-lockeren Stadt Key West mit ihrem „Southernmost Point of the Continental USA“. Der Highway gilt als exzellent ausgebaut, was hingegen einen ernsten Hintergrund hat: Im Falle eines Hurrikans läuft über ihn die praktisch einzige Fluchtroute in Richtung Festland Florida.
Fast gänzlich ohne Wasserzugang ist dagegen die Fahrt auf der algerischen Nationalstraße N1 zu planen, dem nördlichen Teilstück des Algier-Lagos-Highways quer durch die afrikanische Sahara. Der nördliche Endpunkt liegt am Mittelmeer (Algerien), der südliche am Golf von Guinea (Nigeria). Wer sich von Norden her auf die gut 4.500 Kilometer lange Strecke macht, passiert knapp vor der Hälfte die bizarren Felslandschaften des Ajaggar-Gebirges. Archäologische Fundstellen, Felsmalereien und -gravuren deuten darauf hin, dass die Gegend bereits um 6.000 vor Christus besiedelt war.
Kolyma-Trakt: Knochen im Straßenfundament
Die Fernstraße Kolyma-Trakt verläuft durch den äußersten Osten Russlands und verbindet auf 2.000 Kilometern den Fluss Lena bei Jakutsk mit der Hafenstadt Magadan am Ochotskischen Meer. Sie ist die entlegenste aller russischen Fernstraßen – und blickt auf eine dunkle Geschichte zurück: Errichtet wurde die Trasse größtenteils von Häftlingen aus dem sowjetischen Zwangsarbeitersystem Gulag. Ihr Beinamen lautet „Straße der Knochen“, da die beim Bau umgekommenen Häftlinge meist im Fundament der Straße ihre letzte Ruhestätte fanden.
Zwei bei Abenteurern beliebte Trassen befinden sich Zentralasien: Zum einen der rund 1.300 Kilometer lange Karakorum Highway. Er verbindet China (Kashgar) und Pakistan (bis fast zur Hauptstadt Islamabad). Die Trasse durchquert – vorbei an Sieben- und Achttausendern und durch kilometertiefe Schluchten – einen besonders prächtigen Teil des Himalaya-Gebirges. Wegen ihres Verlaufs über den 4.693 Meter hohen Khunjerab-Pass gilt sie als höchstgelegene befestigte Fernstraße der Welt. Auf Platz zwei folgt, über den 4.655 Meter hohen Pass Ak-Baital, der Pamir Highway. Wenngleich wegen Erosion, Erdrutschen und Erdbeben in schlechtem Zustand, verbindet die durchgehend asphaltierte Trasse Duschanbe in Tadschikistan mit Osch in Kirgisien. Wer es besonders außergewöhnlich mag, biegt, von Westen kommend, bei Chorugh rechts ab und nimmt die weniger bergige südliche Variante. Sie folgt über etwa 300 Kilometer dem Grenzverlauf zu Afghanistan.
Einen wenig friedvollen Hintergrund bringt auch die Yungas-Road in Bolivien mit. In den 1930er Jahren während des Chacokriegs gebaut, galt die Verbindung zwischen La Paz und Caranavi im bolivianischen Hochland lange als gefährlichste Straße der Welt. Den Beinamen „Camino de la Muerte“ (Todesstraße) erhielt sie jedoch nicht aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen, sondern wegen zahlreicher tödlicher Verkehrsunfälle. Laut BBC sollen über Jahrzehnte jedes Jahr zwischen 200 und 300 Menschen auf der 80 Kilometer langen Strecke ums Leben gekommen sein. Im Jahr 2007 eröffnete eine Neubaustrecke. Seitdem ist auf der alten Yungas-Straße praktisch kein Kraftverkehr mehr unterwegs.
Eyre Highway: 146,6 Kilometer schnurgerade durch Australien
Niemals fehlen darf in der Liste der außergewöhnlichsten und spektakulärsten Straßen der Welt natürlich die Panamericana: Die längste Straße der Welt führt durch 19 Länder, sechs Zeit- und vier Klimazonen sowie zwei Kontinente. Genaugenommen gibt es jedoch „die“ Panamericana gar nicht. Vielmehr steht die Bezeichnung für ein 48.000-Kilometer-Netzwerk aus Schnellstraßen, das Alaska mit Feuerland verbindet. Offiziell als Panamericana bezeichnet wird allerdings der Abschnitt von der Grenze zwischen den USA und Mexiko bis in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires. Furchtlose, die die Trasse durchfahren haben, bezeichnen sie als einziges, grenzenloses Abenteuer, dessen Beschreibung viele Bücher füllt.
Für einen gewissen Abschnitt auf dem Eyre Highway in Australien braucht es hingegen nur wenige Worte: Zu dem Highway gehört mit 146,6 Kilometern respektive 90 Meilen der längste Straßenabschnitt Australiens ohne Kurve. Die Legende besagt, dass der schnurgerade Abschnitt einst die australische Rockband AC/DC zum Song „Highway to Hell“ inspirierte. Für die Jungs von AC/DC scheint die Hölle ein eher eintöniger Ort zu sein.