Batteriepass für E-Autos: Den Ausweis, bitte!
Author: Joachim Geiger
Belastbare Daten zu Elektrofahrzeugbatterien in der Wertschöpfungskette waren bislang Mangelware. Dem will der europäische Gesetzgeber jetzt mit dem neuen Batteriepass entgegenwirken. Aber was bringt dieser digitale Ausweis? DEKRA Experte Kai Maywald hält den Batteriepass für ein hochkomplexes Öko-Label.
Die neue Batterieverordnung der Europäischen Kommission, die seit dem 18. Februar 2024 in allen Mitgliedstaaten der Union wirksam ist, dürfte in der Automobilindustrie hohe Wellen schlagen. Mit Blick auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit bildet sie zum ersten Mal den kompletten Batterielebenszyklus ab, vom Rohstoffabbau bis hin zum Recycling. Dabei bezieht sie auch die in den verschiedenen Phasen aktiven Wirtschaftsakteure in ihre Regelungen ein.
Ein weiteres Novum ist die Forderung nach einem Batteriepass. Ab dem 18. Februar 2027 benötigen in der Union in Verkehr gebrachte oder in Betrieb genommene Elektrofahrzeugbatterien sowie Batterien von Zweirädern mit einer Kapazität von über zwei Kilowattstunden einen digitalen Batteriepass. Autohersteller müssen sich auf neue Verantwortlichkeiten einstellen: Der Gesetzgeber sieht für die Bereitstellung eines Batteriepasses denjenigen in der Pflicht, der die Batterie in Verkehr bringt. Bei Automobilbatterien ist das in der Regel der Fahrzeughersteller, der das Auto verkauft, in dem die Batterie installiert ist.
Batteriepass soll Transparenz zu E-Auto Batterien schaffen
„Der Batteriepass soll alle sozialen, ökologischen und ökonomischen Informationen abbilden, die im Lebenszyklus einer Batterie relevant sind“, erklärt Kai Maywald aus der DEKRA Service Division Vehicles. Das betrifft Aspekte wie Kinderarbeit und Menschenrechte, aber auch die eingesetzten Rohstoffe, den bei Herstellung und Vertrieb erzeugten CO2-Fußabdruck sowie einschlägige Leistungs- und Gesundheitsdaten eines Akkus. „Bei Licht betrachtet ist der Batteriepass ein hoch komplexes Öko-Label“, sagt Kai Maywald. Aber wie könnte ein praktikabler Batteriepass aussehen, der die europäische Gesetzgebung einhält? Geht es um Aspekte wie Datenanforderungen und technische Standards für die Dateninfrastruktur, hält sich die EU-Verordnung bedeckt. Tatsächlich reicht sie die Umsetzung des Batteriepasses direkt an die betroffenen Stakeholder weiter. Den Job hat jetzt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte Battery Pass-Konsortium, dem unter anderem Automobilhersteller, Batteriehersteller, Zulieferer und IT-Unternehmen angehören. DEKRA begleitet die Arbeit des Konsortiums als Supporting Partner und stellt das Know-how im Hinblick auf Prüfwesen und Zertifizierungen zur Verfügung.
Der Demonstrator veranschaulicht die Funktionalitäten des Batteriepasses
„Batteriedaten und Lieferketten müssen transparent, nachvollziehbar und zuverlässig dokumentiert werden. Eine unabhängige Prüfung und Zertifizierung ist daher unabdingbar“, berichtet Kai Maywald, der die Arbeit des Konsortiums aus der Nähe verfolgt. Allerdings besteht dessen Aufgabe nicht darin, den einen maßgeblichen Batteriepass zu entwickeln. In der Praxis wird es eine Reihe unterschiedlicher Pässe geben – die dann alle auf den gleichen technischen und inhaltlichen Standards beruhen. Mittlerweile hat das Battery Pass-Konsortium einen Leitfaden veröffentlicht, der zeigt, wie der Batteriepass technisch umgesetzt werden könnte. Der Leitfaden enthält unter anderem einen umfassenden Überblick über die relevanten technischen Normen. Zudem leistet er einen Beitrag zur Standardisierung und zu den Normungsprozessen. Ein Meilenstein ist die Entwicklung eines Demonstrators, der im März 2024 vorgestellt wurde und das Grundkonzept und die Funktionalitäten eines Batteriepasses veranschaulicht. Viel Zeit zum Innehalten bleibt dem Konsortium allerdings nicht: Damit die Verantwortlichen den Batteriepass wie geplant ab 2027 vorlegen können, müssen die erforderlichen Grundlagen, technischen Spezifikationen und Testsysteme bis Ende 2025 fertiggestellt sein.
Mehrwert der digitalen Akte für die Wertschöpfungskette
Welchen Mehrwert für Unternehmen, Behörden und Verbraucher könnte der Batteriepass haben? Erste Antworten bietet eine Studie des Battery Pass-Konsortiums, die unter anderem einzelne Akteure der Wertschöpfungskette unter die Lupe nimmt. Der Recyclingprozess zum Beispiel ließe sich effizienter gestalten. Da die Daten für die Zusammensetzung der verwendeten Materialien in der Batterie sowie für die Demontage im Pass vorliegen, würden sich die Kosten für die Vorverarbeitung und Behandlung um bis zu 20 Prozent senken lassen. Auch die Zweitverwertung von Traktionsbatterien könnte durch den Batteriepass einen kräftigen Schub erhalten. Dahinter steht die Idee, dass Unternehmen mit Hilfe der Leistungs- und Lebensdauerinformationen aus dem Batteriepass die Eignung und den Restwert einer Batterie deutlich schneller ermitteln können als bisher. Im Ergebnis sinken die Kosten für die Beschaffung, was wiederum zu einem Anstieg der Nachfrage nach ausrangierten Batterien führen würde – die Studie rechnet für stationäre Batterie-Energiespeicher in Europa mit einem Nachfrage-Plus von bis zu 20 Prozent. „Und wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass sich diese Batterien dann technisch in einem Zustand befinden, der einen sicheren Einsatz im Speicher erlaubt?“, gibt Kai Maywald zu bedenken.
Der Batteriepass könnte künftig auch in der Hauptuntersuchung eine Rolle spielen
Die Auseinandersetzung mit dem Batteriepass wirft eine Reihe von Zukunftsfragen auf, die sich zum Teil nur mit weiterem Forschungsaufwand beantworten lassen, vermutet der DEKRA Experte. Maywald kann sich auch vorstellen, dass der Batteriepass künftig im Rahmen der Hauptuntersuchung eine Rolle spielen wird. Die Kontrolle der Seriennummer der Batterie etwa könnte in Zukunft auf dem Prüfplan stehen. Die ist für die Sicherheit zwar völlig irrelevant, im Sinne der Kreislaufwirtschaft aber sehr wohl von Interesse. Konkret geht es um die Frage, ob es sich bei der Batterie im Fahrzeug um den ursprünglich installierten Akku oder um einen Ersatz handelt. Im letzteren Fall wäre wohl ein Nachweis erforderlich, wo die originale Batterie mitsamt den darin verbauten Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und seltene Erden verblieben ist. Auch der Gesundheitszustand der Batterie könnte zu den Prüfaufgaben dazukommen – schließlich können Batterie mit zunehmendem Alter erhebliche Ladeverluste verursachen. Ein Prüfer müsste daher feststellen, ob der verbaute Akku überhaupt noch die nötige Kapazität aufweist, um das Fahrzeug weiter sicher zu betreiben.
Und wie steht es um die geplanten Aktualisierungen des Batteriepasses, wenn die Garantien und Kulanzfristen für das Fahrzeug abgelaufen sind? Viele Besitzer wechseln nach drei bis vier Jahren in eine freie Werkstatt – mit der Folge, dass das Elektroauto gewissermaßen vom Radar des Herstellers verschwindet.
Der Batteriepass soll als Pilotprojekt den Weg für weitere digitale Produktpässe in der EU weisen. Gut möglich also, dass es in Zukunft digitale Produktpässe für Karosseriebauteile, Reifen und anderes Zubehör geben wird, um den Datenaustausch in der Liefer- und Wertschöpfungskette und die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zu garantieren.