Mit heimischen Pflanzen mehr Biodiversität schaffen
Author: Matthias Gaul
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 über zwei Drittel aller Menschen in Städten wohnen. Damit steigt der Druck, den die Urbanität auf natürliche Ressourcen, Ökosysteme und das Klima ausübt, weiter an. Gärten und städtische Grünflächen werden daher zu immer wichtigeren Oasen für die biologische Vielfalt.
In seinem „Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services“ hat die 2012 von den Vereinten Nationen gegründete Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) Alarm geschlagen. Danach nimmt das Artensterben stark zu. Von acht Millionen Pflanzen- und Tierarten auf der Welt sind eine Million vom Aussterben bedroht, heißt es in dem Report aus dem Jahr 2019, der nach Angaben der IPBES die bisher umfassendste internationale Untersuchung zum Artenschutz darstellt. Effizient gegenzusteuern ist also dringender denn je. Und das kann schon vor der eigenen Haustüre beginnen – etwa im privaten Garten in der Form, dass man durch heimische Pflanzen und andere Elemente wie Blumenwiesen, Trockenmauern und Totholzhaufen oder Bäume und Hecken Lebensräume und Nahrungsquellen für Bienen, Schmetterlinge, Vögel und Co. schafft.
Urban Gardening liegt im Trend
Neben der Arbeit im eigenen Garten liegt schon seit einigen Jahren auch das gemeinschaftliche Gärtnern auf kleinen, oft vernachlässigten Flächen mitten in der Stadt voll im Trend. Seinen Ausgang nahm das „Urban Gardening“ unter anderem in New York. In den 1970er-Jahren protestierten dort Anwohner vernachlässigter Stadtviertel mit ihren politisch motivierten „Guerilla Gardens“ und „Community Gardens“ gegen den Verfall der Städte und die Verschlechterung der Lebensbedingungen und verwandelten leerstehende Flächen in ihrer Nachbarschaft in grüne Oasen. Ein Paradebeispiel aus New York ist heute insbesondere die zwischen 2006 und 2019 nach Plänen des niederländischen Landschaftsgärtners Piet Oudolf zum High Line Park umgestaltete ehemalige Hochbahntrasse im Westen von Manhattan. Die rund 2,5 Kilometer lange Strecke beherbergt über 500 Pflanzen- und Baumarten. Gepflegt wird der Park von Freunden der High Line in Zusammenarbeit mit dem NYC Department of Parks & Recreation.
Eine Besonderheit ist auch die größte städtische Dachfarm Europas, die das Unternehmen Nature Urbaine im Juli 2020 in Paris auf dem Dach des Pavillons 6 im Messezentrum an der Porte de Versailles eingeweiht hat. Das Areal nimmt eine Fläche von 14.000 Quadratmetern ein, auf der mehr als 20 Gärtner in der Saison 20 verschiedene Obst- und Gemüsesorten produzieren. Das Ziel von Nature Urbaine ist es, diese städtische Farm zu einem globalen Modell in Bezug auf verantwortungsvolle Produktion zu machen, um so eine Form der ökologischen Widerstandsfähigkeit der Städte von morgen zu organisieren.
Stadtentwicklung neu gestalten und dabei Natur und Mensch in den Mittelpunkt stellen
Welchen Beitrag zur Artenvielfalt in Städten selbst noch so kleine Grünflächen leisten können, verdeutlicht eine 2021 veröffentlichte, in Melbourne durchgeführte Studie. In der Hauptstadt des Bundesstaates Victoria in Australien hatte ein Team um Luis Mata von der Universität Melbourne und der Forschungseinrichtung Cesar Australia über einen Zeitraum von vier Jahren eine knapp 200 Quadratmeter große Grünfläche vor und nach der Bepflanzung mit zwölf einheimischen Pflanzenarten untersucht. Das Areal grenzt an eine Hauptstraße, ist von großen Gebäuden umgeben und eingebettet in eine dichte urbane Bebauung. Bereits nach einem Jahr gab es auf der Fläche fünf Mal so viele verschiedene Insektenarten wie zuvor, nach drei Jahren sogar sieben Mal so viele – verbunden mit den unterschiedlichsten Interaktionen zwischen Insekten und Pflanzenarten.
„Die nachteiligen Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels manifestieren sich akut in städtischen Umgebungen“, sagt Luis Mata. Während bekannt sei, dass städtische Grünflächen diese Auswirkungen abschwächen, gebe es nach wie vor nur wenige Belege für die ökologischen Ergebnisse der Stadtbegrünung. Über einen längeren Zeitraum erfolgende Studien nehmen daher einen umso höheren Stellenwert ein. „Wir konnten zeigen, wie Investitionen in Begrünungsmaßnahmen dazu beitragen, einheimische Arten wieder in Grünflächen zu bringen, in denen sie selten geworden oder lokal ausgestorben sind“, so der Forscher.
„BiodiverCities by 2030“
Die Dringlichkeit entsprechender Maßnahmen mahnt auch „BiodiverCities by 2030“ an. Dahinter verbirgt ist eine von der kolumbianischen Regierung geförderte gemeinsame Initiative des Weltwirtschaftsforums und des in Bogotá ansässigen Alexander von Humboldt Biological Resources Research Institute. Erklärtes Ziel ist es, Stadtverwaltungen, Unternehmen und die Bürgerschaft dabei zu unterstützen, die Stadtentwicklung neu zu gestalten und dabei Natur und Mensch in den Mittelpunkt zu stellen. Bis 2030 sollen naturverträgliche und klimaresistente Städte geschaffen werden, in denen jede städtische Aktivität die Erde bereichert und nicht weiter auslaugt. Genau das ist letztlich auch das Anliegen der EU-Biodiversitätsstrategie 2030. Gefordert werden für alle europäischen Städte mit mehr als 20.000 Einwohnenden „Urban Greening Plans“, die zum Wohlbefinden der Bevölkerung, zum Schutz der Biodiversität sowie zu Klimaanpassung und Klimaschutz beitragen.
Schutz von Natur und Artenvielfalt
Seit April 2022 ist DEKRA Partner des Gesellschaftsprojekts „BioBienenApfel“. Die Initiative, die 2021 von dem österreichischen Obst- und Gemüseproduzenten Frutura ins Leben gerufen wurde, hat es sich zum Ziel gesetzt, den Menschen die Bedeutung der Artenvielfalt für die Zukunft unseres Planeten bewusst zu machen, regionale Produzenten für eine Landwirtschaft 2.0 zu stärken und damit die nachhaltige Selbstversorgung mit Obst und Gemüse zu erhöhen. Geplant ist, europaweit 1.200 Hektar neue Blumenwiesen aufblühen zu lassen und damit neuen Lebensraum für bis zu einer Milliarde Bienen zu schaffen. DEKRA bringt sich dabei mit eigenen Flächen ein, allen voran am DEKRA Lausitzring im brandenburgischen Klettwitz. Dort wurde die Bio-Blumenwiese auf einer Fläche von 1,65 Hektar umgepflügt und ausgesät. Das Projekt „BioBienenApfel“ passt perfekt zum nachhaltigen Anspruch von DEKRA, gerade auch an den einzelnen Standorten die Schaffung von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere anzustreben und damit zum Erhalt der Biodiversität beizutragen. So zum Beispiel durch die Ansiedelung von fünf Bienenvölkern an der DEKRA Zentrale in Stuttgart. Beim Sammeln von Pollen und Nektar bestäuben rund 250.000 Honigbienen eine Vielzahl von Pflanzen und sorgen so für einen ausgewogenen Naturkreislauf.