Gebrauchte E-Autos – wie gesund ist der Akku?

Author: Joachim Geiger

03. Apr. 2024 Elektromobilität / Automobil / Sicherheit im Verkehr

Sind gebrauchte Elektroautos wirklich ein Risiko für Verbraucher? Die Vorbehalte sind jedenfalls groß. Dabei könnte mehr Transparenz über den Zustand der Antriebsbatterie das nötige Vertrauen schaffen. DEKRA Experte Michael Tziatzios erklärt, wie ein spezieller Batterieschnelltest Käufern und Händlern helfen kann.

Der europäische Markt für gebrauchte Elektrofahrzeuge steckt derzeit mittendrin in einer Krise. Einerseits ist das Angebot an gebrauchten Modellen noch sehr überschaubar, andererseits stehen die verfügbaren Fahrzeuge häufig wie Blei bei den Händlern. In Deutschland zum Beispiel – dem größten Automarkt in der EU – weist das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) für 2023 gerade mal rund 97.000 Besitzumschreibungen für batterieelektrische Pkw (BEV) aus – ein Anteil von 1,6 Prozent an den gesamten Besitzumschreibungen von Pkw in diesem Jahr. Aber auch diverse Online-Plattformen für Gebrauchtfahrzeuge machen in den meisten europäischen Märkten ein deutliches Desinteresse an gebrauchten Stromern aus. Diese Flaute hat handfeste Auswirkungen auf das Wachstum der E-Flotte in Europa. Aktuelle Zahlen des Europäischen Automobilherstellerverbands (ACEA) belegen, dass der Anteil der BEV am europäischen Pkw-Bestand (252 Millionen) mit 1,2 Prozent nicht recht vom Fleck kommt. Soll es mit der Verkehrswende der Europäischen Kommission bis 2030 noch klappen, kommt es in Zukunft auf jedes Elektrofahrzeug an – auch auf die Gebrauchten. Bislang schlagen die typischen Argumente gegen gebrauchte E-Autos jedoch in die gleiche Kerbe, die früher schon Neuwagenkäufern die Entscheidung schwer gemacht haben: Die Preise sind deutlich zu hoch, dazu kommen begrenzte Reichweiten, lange Ladezeiten und eine unzureichende Infrastruktur.

Die Batterie ist der wichtigste Indikator für den Wert eines Elektroautos

„In der Tat haben wir keine relevante Käufer-Nachfrage für Hochvoltfahrzeuge“, lautet die Einschätzung von Michael Tziatzios, Leiter Gebrauchtwagenmanagement bei DEKRA Automobil. Seine Analyse nimmt unter anderem die technologischen Aspekte der Elektromobilität in den Blick. „Die Käufer wünschen sich eine Werthaltigkeit ihres neuen Gebrauchten. Wenn aber eine Batterietechnologie, die heute den Stand der Technik repräsentiert, morgen schon veraltet sein kann, kommen daran Zweifel auf. Auch die zu erwartende Nutzungsdauer, die Ersatzteilbeschaffung der Antriebseinheiten sowie nicht abschätzbare mögliche Defekte scheinen Käufer abzuschrecken.“ Tatsächlich ist die Batterie der wichtigste Indikator für den Wert des Elektroautos. Logisch also, dass die Kunden genau wissen wollen, wie es um den Akku und damit um die Reichweite des gebrauchten Fahrzeugs bestellt ist. Eine hilfreiche Kenngröße ist hier der so genannte State of Health (SoH). Er besagt, wie viel von der Batteriekapazität des Neufahrzeugs nach einer bestimmten Nutzungsdauer noch übrig ist. Ein SoH von 80 Prozent würde bedeuten, dass eine Batterie im Vergleich zu ihrer Ursprungskapazität von beispielsweise 80 kWh bei voller Ladung nur noch über 64 kWh verfügt.

Eine gute Beratung kann den Vorbehalten der Kunden entgegenwirken

„Die Kunden wollen sich auf die Qualität der Antriebsbatterie eines gebrauchten Fahrzeugs verlassen können. Der Handel muss sich darauf einstellen“, sagt Michael Tziatzios. Eine gute Beratung, die den Vorbehalten des Kunden entgegenwirkt, liegt auch im Eigeninteresse eines Händlers. Die Kaufrechte in den Mitgliedsstaaten der EU gehen auf die 2019 vom Europäischen Parlament verabschiedete Warenkauf-Richtlinie zurück. Im Kern geht es jetzt auch beim Kauf eines gebrauchten E-Autos darum, dass ein Händler gegenüber einem Verbraucher zu einer umfassenden Information über den Verkaufsgegenstand verpflichtet ist. In der Praxis bedeutet das, dass ein Händler das zum Verkauf anstehende Fahrzeug möglichst genau beschreiben und dabei auch auf Abweichungen von der erwartbaren Beschaffenheit hinweisen muss. Aussagen zu Hersteller und Modell, Alter und Kilometerstand wären in diesem Fall wohl kein Problem. Aber wie könnte der Verkäufer über den Zustand der Batterie zuverlässig Auskunft geben?

Der innovative DEKRA Batterieschnelltest dauert gerade mal 15 Minuten

Eine nahe liegende Lösung wäre es, den SoH aus dem Batteriemanagement eines Fahrzeugs auszulesen. Einige Hersteller offerieren diese Möglichkeit. Dabei handelt es sich allerdings um so genannte Trockenwerte – und die stimmen nicht zwangsläufig mit den realen Werten überein. Die Expertenorganisation DEKRA geht zur Überprüfung des Gesundheitszustands einer Batterie einen anderen Weg, der eine vom Hersteller unabhängige Ermittlung des SoH ermöglicht. Anfang November 2020 zum Patent angemeldet und von der renommierten RWTH Aachen validiert, hat DEKRA seinen Batterieschnelltest im Dezember 2022 in den Markt ausgerollt. „Der Test basiert auf einer realen Messung der Batteriewerte unter Last und dauert etwa eine Viertelstunde. Dazu startet der Prüfer eine Probefahrt von wenigen hundert Metern, um durch eine kurze Beschleunigung eine hohe Leistung der Batterie abzurufen. Anschließend erfolgt eine Berechnung des Innenwiderstands der Batterie. An diesem Punkt setzt die innovative Lösung des Schnelltests an. Jetzt geht es nämlich darum, die Messwerte richtig zu interpretieren. Diese Aufgabe übernimmt ein eigens entwickelter Algorithmus. Entscheidend ist dabei der Bezug dieser Daten zum Neufahrzeug, das die notwendige Referenz repräsentiert. In gewisser Weise beginnt also die Batterieprüfung eines Gebrauchtfahrzeugs mit der Prüfung eines Neufahrzeugs des gleichen Typs.

Bei der Erstuntersuchung eines neuen E-Autos checkt DEKRA auch die Batterie

Dreh- und Angelpunkt ist hierbei das DEKRA Technologiezentrum in Klettwitz. Die Ingenieure nehmen dort jeden einzelnen elektrischen Fahrzeugtyp, der künftig getestet werden soll, im Rahmen einer Erstuntersuchung gründlich unter die Lupe. Das mit umfangreichem Messequipment ausgestattete Fahrzeug ist dann mehrere Tage unter unterschiedlichen Ladezuständen und Belastungsintensitäten auf der Teststrecke unterwegs. Dabei entsteht eine Fülle von Daten über die Batterie, auf die später der Algorithmus für den Batterietest als Bezugsgröße zurückgreift. Wenn dann der Batteriecheck des Gebrauchtfahrzeugs beendet ist, stellt der Prüfer einen Bericht aus, der neben den einschlägigen Fahrzeugdaten auch die Messdaten und den daraus resultierenden State of Health beinhaltet.

Die Batterien in elektrischen Gebrauchtfahrzeugen sind definitiv besser als ihr Ruf

Mittlerweile hat DEKRA einige Tausend Fahrzeuge geprüft und dabei noch keine einzige defekte Batterie festgestellt. „Die Batterien in den Elektroautos sind insgesamt wesentlich besser als ihr Ruf. Das zeigen unsere Batteriechecks eindeutig“, berichtet Michael Tziatzios. Und welchen SoH sollte ein gebrauchtes Elektroauto mindestens haben, damit es dem neuen Besitzer noch länger Freude macht? Ein guter SOH-Wert liegt dem DEKRA Experten zufolge grundsätzlich zwischen 80 und 100 Prozent. Je höher der Wert, desto besser ist der Gesundheitszustand der Batterie. Und wenn der Akku nur noch einen SoH von 75 Prozent besitzt? Auch dann kann das Auto noch mehrere Jahre Einsatzzeit vor sich haben, wenn es in erster Linie im Stadtverkehr zum Einsatz kommt.