Hauptuntersuchung für Sensoren: Im Dienst für den Assistenten
Author: Michael Vogel
Immer mehr Fahrerassistenzsysteme halten Einzug ins Auto. Doch wer stellt sicher, dass sie auch nach zehntausenden Kilometern noch zuverlässig arbeiten?
Die Hauptuntersuchung ist bei jedem Fahrzeug ein fester Bestandteil des Lebenszyklus, wobei sich die lokalen Bestimmungen in den Ländern der Welt deutlich unterscheiden. Oft steht die Fahrzeugsicherheit im Vordergrund, doch in vielen Staaten ist inzwischen auch die Abgasuntersuchung fester Bestandteil der Prüfung. So wie sich die Fahrzeugtechnik über die Jahrzehnte weiterentwickelt hat, muss sich auch die Hauptuntersuchung den neuen technischen Gegebenheiten anpassen. Durch die steigende Zahl an Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen wird diese Entwicklung weiter voranschreiten.
„In der EU kontrollieren Prüferinnen und Prüfer bei der Hauptuntersuchung schon heute, ob sichtbare Beschädigungen oder unsachgemäße Reparaturen im Bereich der Fahrerassistenzsystemsensoren vorhanden sind“, erklärt Thomas Ost, der bei DEKRA für die Service-Entwicklung im Bereich Fahrzeugprüfung verantwortlich ist. „Zudem werden Defekte oder Einschränkungen beanstandet, die das Fahrzeug im Fehlerspeicher ablegt oder im Armaturenbrett anzeigt.“ Auch die seit Jahrzehnten etablierte Prüfung von Komponenten wie Rädern, Reifen, Bremsen oder Lenkung komme indirekt der Zuverlässigkeit der Assistenzelektronik zugute. „Die besten Systeme nützen ja nichts, wenn die Bremsen schlecht wirken oder die Reifen abgefahren sind.“
DEKRA entwickelt neue Prüfmethode für Sensoren
Doch dabei will es DEKRA künftig nicht belassen, sondern setzt sich dafür ein, dass dem steigenden Elektronik- und Softwareanteil im Fahrzeug auch bei der Hauptuntersuchung stärker Rechnung getragen wird. „Wir haben einen Demonstrator entwickelt, mit dem sich Sensoren von Fahrerassistenzsystemen schnell und effektiv prüfen lassen könnten“, sagt Ost. Konkret geht es um Radarsensoren, die im Kühlergrill oder hinter Stoßfängern eingebaut sind und zum Beispiel von Notbremsassistenten, Spurhaltesystemen oder Abstandregelungen genutzt werden. An der Entwicklung beteiligt waren die Firmen Rohde & Schwarz und AVL DiTest. Mit dem Verfahren lässt sich die Funktion des Radarsensors bei stehendem Fahrzeug testen.
Und das geht so: Ein Simulationsgerät gaukelt dem Sensor verschiedene Objekte vor, etwa andere Fahrzeuge, Personen oder Gegenstände. Abstand, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit der Objekte sind bekannt. Während der Radarsensor das simulierte Objekt erfasst, liest die Prüfingenieurin oder der Prüfingenieur über die Fahrzeugdiagnoseschnittstelle aus, was das Fahrerassistenzsystem sieht und welche Maßnahme es auslösen würde, zum Beispiel eine Notbremsung. So lassen sich die Funktion und die korrekte Kalibrierung des Sensors überprüfen. Im Projekt hat Rohde & Schwarz das Simulationsgerät konzipiert und AVL DiTest war für das Auslesen der Fahrzeugdaten zuständig. DEKRA hat das Gesamtkonzept erstellt, die Anforderungen spezifiziert und alles koordiniert.
„Die Sensoren sind die Bauteile, die wesentlich Verschleiß, Dejustage und anderen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind“, sagt Ost. Das Prinzip lässt sich leicht auf andere Sensortechnologien übertragen. „Den Demonstrator haben wir auf einen Radarsensor ausgelegt, weil er derzeit in Fahrzeugen die größte Verbreitung hat“, erklärt Ost. „Optische Kameras und künftig Lidar-Sensoren wären weitere Kandidaten für so eine Art von Verfahren.“ Parallel zur Simulation sieht der Ansatz eine Softwareprüfung vor. „Dabei geht es zuvorderst um die Frage, ob tatsächlich die Softwareversion bei den Fahrerassistenzsystemen installiert ist, die typgeprüft und zugelassen ist“, sagt Ost, „aber auch um die Kontrolle von Sicherungsmechanismen, um Manipulationen auszuschließen, und um die Kontrolle von Dateninhalten in der Software.“
Kein komplexes Prüfszenario: Fokus auf Sensorik und Software
Der Ansatz von DEKRA ist nicht der einzige Vorschlag, der derzeit in Fachkreisen diskutiert wird. „Der Vorteil unserer Technologie ist, dass sie sich zum Beispiel in einer Werkstatt mit der Prüfung der Scheinwerfereinstellung mit geringem Aufwand kombinieren ließe.“ Dafür seien weder hohe Investitionen noch viel Platz erforderlich. Durch die Fokussierung auf Sensorik und Software erspare man sich komplexere Prüfszenarien, wie sie nur auf Parcours oder mit teuren Installationen möglich wären. „Unser Ansatz überfordert keinen der Beteiligten“, sagt Ost.
Selbstverständlich bedingt er neben der reinen Regulatorik auch Veränderungen an den Fahrzeugen. „Die drei Messwerte Abstand, Bewegungswinkel und Geschwindigkeit des Objekts müssten in standardisierter Form einfach auslesbar sein, zum Beispiel über die etablierte Fahrzeugdiagnoseschnittstelle“, erklärt Ost. „Zudem müsste sich das Fahrzeug in einen Testmodus versetzen lassen, da die Fahrerassistenzsysteme ja nur während der Fahrt korrekt arbeiten, bei der Prüfung das Fahrzeug aber steht.“ Die Fahrzeughersteller wären also betroffen, genauso wie die Typprüfung. Es würde eine Weile dauern, bis die Funktionalitäten in Serienfahrzeugen einkehren. Entsprechende Regelungen wären in Europa auf EU-Ebene zu treffen. Solche Hürden gibt es jedoch bei allen existierenden Vorschlägen zur künftigen Prüfung von Fahrerassistenzsystemen – ohne Datenzugriff wird es nicht gehen.
Projektpräsentation vor weltweiten Experten
Derzeit stellen DEKRA und die Projektpartner ihren Ansatz Fachleuten aus aller Welt vor. In Kürze startet zudem ein Feldtest in einer Prüfhalle. „Dann werden Praktikerinnen und Praktiker, die nichts mit der Entwicklung zu tun hatten, das System an unterschiedlichen Fahrzeugen erproben“, gibt Ost einen Ausblick. Zudem ist am DEKRA Technologiezentrum im brandenburgischen Klettwitz ein gemeinsames Projekt mit der FSD GmbH geplant. Die FSD ist im staatlichen Auftrag für die Erstellung von einheitlichen Prüfvorgaben bei der Hauptuntersuchung zuständig. Im Projekt wollen die Beteiligten Sensoren der Fahrerassistenzsysteme kontrolliert dejustieren oder anderweitig stören, um bei Fahrten auf dem Prüfgelände zu ermitteln, wie sich das in standardisierten Szenarien auf die Funktion der Fahrerassistenzsysteme auswirkt. Im Alltag kann es zu derlei Beeinträchtigungen der Assistenten zum Beispiel durch Parkplatzrempler, Steinschläge oder nicht fachgerecht ausgeführte Reparaturen kommen. „In Klettwitz können wir praktische Erfahrungen sammeln“, so Ost, „ab welchem Grad der Beschädigung tatsächlich eine sicherheits- und funktionsrelevante Beeinträchtigung vorliegt.“