In der Luft und zu Wasser: Sicherheitsprüfung an der Talsperre
Zu den 30 größten Talsperren Deutschlands gehört die Saidenbachtalsperre, die hauptsächlich die Trinkwasserversorgung für Chemnitz und Südsachsen sichert. Ein weiterer Zweck des imposanten Bauwerks ist der Hochwasserschutz entlang des Flusses Flöha. 334 Meter lang, knapp 60 Meter hoch und mit einer vier Meter starken, befahrbaren „Krone“ versehen ist die Staumauer, die 23 Millionen Kubikmeter Wasser daran hindert, mit enormem Druck talabwärts zu schießen. So wird auch klar, weshalb die Talsperre in regelmäßigen Abständen gewartet und auf Schäden geprüft werden muss: „Der wechselnde Wasserdruck, die Temperaturschwankungen und die Witterungseinflüsse bedeuten konstanten Stress für das Mauerwerk und sorgen für kleinere Risse, durch die das Wasser bis auf die Luftseite durchgedrückt werden kann“, verdeutlicht Steffen Hein (49), Sachverständiger für Bauwerksprüfungen der Niederlassung Dresden. Mit seinem Spezialisten-Team ist er seit Spätherbst 2020 dabei, die Schäden genau – man spricht dabei von „handnah“ – zu prüfen, zu dokumentieren und so für die Stand- und auch die Betriebssicherheit der Talsperre zu sorgen. Grundlage ist die Norm zur Prüfung von Ingenieurbauwerken DIN 1076.
Sicherheitsprüfung an der Steilwand
Doch wie entdeckt und dokumentiert man einen kleinen Riss von ein paar Dezimetern Länge auf einer Fläche von rund 16.000 Quadratmetern? Wie orientieren sich Kletterer und Taucher bei dieser Aufgabe? Kollege Andreas Donnert (36), der Kletterer im Team, klärt auf: „Da helfen uns moderne Hilfsmittel wie etwa die Vermessung mit Kamera-Drohnen. Damit haben wir die ganze Mauer fotografiert, kartografieren und als digitales CAD-Modell darstellen lassen. Außerdem haben wir die gesamte Staumauer der Talsperre in Prüfabschnitte von ca. sechs Meter Breite unterteilt und mit Begrenzungsleinen markiert. Die Leinen sind beschwert und hängen lotrecht bis zum Grund hinab. Das gibt uns Orientierung.“ Spricht’s und seilt sich an der Wand ab, die knapp 60 Meter in die Tiefe abfällt. Natürlich fachmännisch gesichert vom Team „Industrieklettern Sachsen“. Am Seil hängend inspiziert er dann die Staumauer. Seine wichtigsten Ausrüstungsgegenstände: Ein kleiner Hammer, um marode Stellen freizulegen, ein Zollstock und eine Digitalkamera, um die entdeckten Risse zu dokumentieren.
Tauchen gehen
Kollege Steffen Hein hat sich aufs Tauchen spezialisiert. Das Wasser hat sechs Grad, die Luft ist nicht viel wärmer. Das sei durchaus angenehm, sagt der 49-Jährige. „In Anbetracht der Sichtverhältnisse ist es viel besser, in der kälteren Jahreszeit zu tauchen. Und In 40 Meter Tiefe hat es eh konstant vier Grad Celsius, dafür ist mein Tauchanzug auch ausgelegt.“ Wie beim Klettern sind auch beim Tauchen strenge Sicherheitsvorschriften zu beachten. Hein besitzt alle lebenswichtigen Ausrüstungsgegenstände zwei Mal: Tiefenmesser, Luftflaschen, Ventile. Und er taucht nicht allein. „Zur Sicherheit müssen immer zwei andere Taucher mit dabei sein, wenn ich runtergehe“, sagt Hein. Er lässt sich fachmännisch von der Bootskante nach hinten ins Wasser fallen. Unten sehen die Taucher nur etwa einen Meter weit, aber die herunterhängenden Leinen geben Orientierung. Quadratzentimeter um Quadratzentimeter nimmt Steffen Hein in Augenschein. Er kommt auch an unzugängliche Stellen, die kein Tauchroboter inspizieren kann. Materialveränderungen und Schädigungen werden „handnah“ geprüft und per Foto dokumentiert. „Dieses Prüfverfahren hat sich seit Jahrzehnten im Ingenieurbau bewährt“, so der DEKRA Mann.
Im Auftrag der Sicherheit
Die Prüfung der Talsperre nimmt mehrere Monate in Anspruch, vor allem wegen der Unterwasserprüfungen. Hein: „Wir sprechen von insgesamt 16.000 Quadratmetern Prüffläche. An der Luftseite kommt ein Kletterer vergleichsweise schnell voran, aber beim Tauchen liegen die Dinge anders: Der Aufwand an Personal und Material ist größer, zudem sind die Tauchzeiten durch strenge Arbeitsschutzvorgaben begrenzt.“ Die DEKRA Experten haben bei ihrer Sicherheitsprüfung mehrere Stellen entdeckt, wo das Mauerwerk der Staumauer beschädigt ist. Diese müssen sie genau vermessen und fotografieren. Auf einem großen Plan, der in der Tauchbasis aufgehängt ist, markieren Hein und sein Team anschließend die genauen Positionen, um sie später bei der Instandsetzung wiederzufinden. Eine gemeinsame Lagebesprechung mit allen Teammitgliedern schließt sich an, die Stimmung ist hervorragend. Mittlerweile ist aus dem nebligen Morgen ein früh-sommerlicher Mittag geworden. Neben dem Spaß, den der gefährliche Job offensichtlich macht, steht das gute Gefühl, zu Lande, zu Wasser und in der Luft im Dienst der Sicherheit unterwegs zu sein.
An der Luftseite kommt ein Kletterer vergleichsweise schnell voran, aber beim Tauchen liegen die Dinge anders: Der Aufwand an Personal und Material ist größer, zudem sind die Tauchzeiten durch strenge Arbeitsschutzvorgaben begrenzt.
Steffen Hein, DEKRA Sachverständiger für Bauwerksprüfungen