Mit Sicherheit ins digitale Zeitalter
Author: Susanne Spotz und Matthias Gaul
DEKRA treibt nicht nur die Internationalisierung weiter voran, sondern investiert auch kräftig in Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die beiden neuen DEKRA Vorstandsmitglieder Ulrike Hetzel und Stan Zurkiewicz erklären im Gespräch mit DEKRA solutions, worauf es in Zukunft ankommt.
Frau Hetzel, Sie sind seit April 2021 im Vorstand von DEKRA. Wie haben Sie die ersten Monate erlebt?
Hetzel: Ich habe mich sehr schnell und sehr gut eingelebt. Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen lief perfekt, auch wenn aufgrund von Corona die meisten Meetings per Video stattgefunden haben. Beeindruckt war ich von Beginn an vom immensen Dienstleistungsportfolio in den acht Service Divisions. In dieses umfangreiche Portfolio tiefer einzutauchen, ist spannend und herausfordernd.
Herr Zurkiewicz, Sie sind seit zwölf Jahren im Unternehmen tätig. Welche wichtigen Impulse aus Ihrer Zeit bei DEKRA East & South Asia haben Sie mitgenommen?
Zurkiewicz: Meine Zeit in Asien war geprägt durch ein enormes Wachstum von DEKRA. Ganz entscheidende Erfolgsfaktoren für diese Dynamik mit oftmals zweistelligen Wachstumsraten pro Jahr sehe ich in unserem Know-how, vor allem aber auch in der ausgeprägten Kundenorientierung. Zugleich hat unser Wachstum in Asien auch stark von der Prozessunterstützung durch die Service Divisions profitiert. Genau dieses enge Zusammenwirken der Service Divisions und der von mir verantworteten weltweit sechs Regionen sehe ich als zentrale Grundlage für unseren weiteren Erfolg. Wenn wir in diesem Punkt international noch besser werden, setzen wir das Potenzial von DEKRA optimal frei.
Stan Zurkiewicz, 1979 in Gydnia in Polen geboren, ist seit 1. Januar 2021 Mitglied des DEKRA Vorstands und verantwortet als COO die DEKRA Regionen, das operative Geschäft und den Vertrieb. Zuletzt war er als Executive Vice President für die DEKRA Region East & South Asia zuständig. Davor hatte er nach der Übernahme von KEMA Quality als General Manager China für DEKRA gearbeitet.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Wachstumspotenziale für das Dienstleistungsportfolio von DEKRA?
Hetzel: Mobilität der Zukunft, Cyber Security- und Remote-Services sowie Analyse-Tools wie künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeitsservices sind unsere Schwerpunkte für die nächsten Jahre. Die Nachfrage unserer Kunden und der Märkte nach Lösungen in den genannten Bereichen ist immens. Und wir bei DEKRA haben oder erarbeiten diese Lösungen. Insgesamt sehe ich neben Asien und Nordamerika speziell auch in unseren europäischen Kernmärkten noch ein enormes Wachstumspotenzial für DEKRA.
Zurkiewicz: Das sehe ich genauso. Ich bin sicher, dass vor allem die führenden Industriestaaten nach der Corona-Pandemie sehr viel investieren werden, um die Wirtschaft zu transformieren und nachhaltiger zu gestalten. Die Energie- und Mobilitätswende wird hier den Löwenanteil ausmachen. Unser Anspruch in Sachen Mobilität der Zukunft ist es, den Automobilhersteller und Zulieferer bei diesem Paradigmenwechsel mit unserer Expertise und unseren Dienstleistungen entlang der gesamten automotiven Wertschöpfungskette zu unterstützen. Eine wichtige Rolle wird neben der E-Mobilität auch das Thema Wasserstoff spielen. Dabei geht es nicht nur um die Fahrzeuge selbst, sondern auch um die Infrastruktur – also zum Beispiel um die Erzeugung, die Speicherung und den Transport dieser Energieform. Oder denken Sie auch an die Zertifizierung von grünem Wasserstoff.
Eines der Ziele der DEKRA Strategie 2025 ist die Digitalisierung des gesamten Dienstleistungsportfolios. Wie gelingt das?
Hetzel: Dieses Ziel ist definitiv herausfordernd. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir es erreichen werden. Aktuell haben wir bei DEKRA eine teilweise zu fragmentierte Prozess- und IT-Landschaft. Bei der Digitalisierung wurden unternehmensweit schon zahlreiche gute Initiativen ergriffen. Als Basis für eine integrierte IT-Plattform und IT-Strategie ist nun die Harmonisierung und Standardisierung der Prozesse eine dringliche Aufgabe. Parallel dazu werfen wir einen genauen Blick auf Innovationen und Trends. Tatsache ist: Die Art und Weise, wie wir unsere Dienstleistungen erbringen, wird sich in Zukunft verändern. Damit meine ich neue Arbeitsformen sowie verstärkte digitale Interaktion und Innovation ebenso wie datengetriebene Dienstleistungen. Durch Corona hat sich der Digitalisierungsdruck nochmals erhöht. Wir dürfen keine Zeit verlieren.
Zurkiewicz: Wir beziehen die Regionen aktiv in die Digitalisierung unseres Service-Portfolios ein. Die Bedeutung der Digitalisierung ist uns allen klar vor Augen. Darüber hinaus bauen wir in den Regionen auch das notwendige Know-how für die digitalisierten Services weiter auf. So bedienen wir die Anforderungen der Kunden und Märkte optimal.
Ulrike Hetzel, 1972 in Kleve in Nordrhein-Westfalen geboren, ist seit 1. April 2021 Mitglied des DEKRA Vorstands und verantwortet als CTO die Bereiche Services, Innovation und IT. Zuletzt arbeitete sie mehr als fünf Jahre bei der Robert Bosch GmbH, zunächst als Managerin für den Bereich Program & Transformation sowie Corporate IT, später als Mitglied der Geschäftsleitung Corporate IT. Zuvor war sie 16 Jahre lang bei IBM tätig – unter anderem als Geschäftsführerin des Bereichs Infrastructure Technology Services.
Seit 2020 investiert DEKRA in die Zukunftsfelder Cyber Security und künstliche Intelligenz. Wohin geht die Reise?
Zurkiewicz: Wenn ich mir die Marktsegmente anschaue, die wir mit unseren Cyber Security-Services adressieren, dann ist neben dem Automotive-Bereich auch die Industriesparte von großer Bedeutung für uns. Denken Sie nur an vernetzte Geräte oder Maschinen, deren sichere Funktion zunehmend vom Schutz vor Cyber-Attacken abhängt. Neben dem IT-Risikomanagement und der IT-Sicherheitsüberwachung umfassen unsere Cyber Security-Lösungen unter anderem auch Produktprüfungen, Zertifizierungen, Audits und Schulungen zu den vielfältigen Technologien und Vorschriften. Die Fundamente für den beschleunigten Ausbau unserer Services in Sachen Cyber Security und KI sind also gelegt.
Hetzel: Mit dem Hub für künstliche Intelligenz (KI) und dem konzernweiten Cyber Security-Hub positionieren wir uns eindeutig. In beide Themen – KI und Cyber Security – wurde im Jahr 2020 kräftig investiert. Das Ziel ist es, mit Hilfe der KI bestehende Dienstleistungen weiter zu entwickeln und zu gewährleisten, dass um KI-Algorithmen erweiterte Produkte sicher genutzt werden können. Das gilt genauso für unseren Cyber Security-Hub, der an Lösungen für eine sichere Digitalisierung arbeitet. Bei den Cyber-Sicherheitslösungen geht es hauptsächlich um das Testen, Prüfen und Auditieren von Services sowie um Schulungen zu den vielfältigen Technologien und Vorschriften. KI und Cyber Security tangieren viele Servicebereiche. Deshalb arbeiten die Kolleginnen und Kollegen der beiden Hubs eng mit den Service Divisions zusammen, die die Dienstleistungen entwickeln.
Stichwort sichere Mobilität: DEKRA will bis 2025 globaler Partner für Automotive Cyber Security werden. Welche strategischen Ziele sind gesetzt und wie wirkt sich das vernetzte und automatisierte Fahren auf die Fahrzeugprüfung aus?
Zurkiewicz: Schon heute arbeiten wir eng mit internationalen Automobil-OEMs und Zulieferern für Automotive Cyber Security zusammen. Diese Zusammenarbeit werden wir weiter forcieren, um so unsere Position als einer der führenden Ansprechpartner auszubauen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von elektronischen Systemen und Software im Auto sowie der künftig immer größeren Zahl vernetzter und automatisierter Fahrzeuge wächst unweigerlich auch das Risiko von Hackerangriffen. Im Hinblick auf sichere Mobilität und die zunehmende Digitalisierung hatte für uns in den vergangenen Jahren deshalb auch der Aufbau eines internationalen Testverbunds mit Kompetenzzentren in Klettwitz (Deutschland), Málaga (Spanien) und Hsinchu (Taiwan) hohe Priorität. Als Ergänzung hierzu bauen wir aktuell in Mainland China mit einem inländischen Partner ein State-of-the-Art-Testzentrum zur Prüfung von Schlüsseltechnologien rund um drahtlose Kommunikation, Konnektivität, KI, Geoinformationssysteme und Cyber Security auf.
Hetzel: Vernetzung und Automatisierung haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Fahrzeugprüfung. Angesichts der riesigen Datenmengen, die Fahrzeuge mit ihren vielen Steuergeräten und Sensoren generieren, wird es bald nicht mehr genügen, den Stand der Technik lediglich alle zwei Jahre zu prüfen. Erforderlich wird deshalb mittelfristig eine kontinuierliche Fahrzeuguntersuchung „over the air“. Zumal zukünftig die Software-Updates der Fahrzeughersteller nicht mehr per Kabel in der Werkstatt, sondern vermehrt drahtlos erfolgen werden. Ein Fahrzeug kann innerhalb kürzester Zeit ein grundlegend anderes sein, wenn über ein Update sicherheitsrelevante Fahrfunktionen für den automatisierten Fahrzustand verändert werden. Deshalb benötigen wir den direkten und unabhängigen Zugang zu den prüfungsrelevanten Daten und Diagnosefunktionen. Das ist letztlich auch der Gedanke des von uns gemeinsam mit anderen Prüforganisationen geforderten Datentreuhänder-Modells. Dessen Aufgabe besteht darin, den Zugang zu den Daten, ihre Speicherung sowie ihre Verwaltung zu organisieren.