DEKRA präsentiert Verkehrssicherheitsreport 2022 in Brüssel

Kommissarin Valean: „Alle Maßnahmen aus dem Instrumentarium einsetzen“

15. Nov. 2022

EU-Verkehrskommissarin Adina Valean plädiert für einen vielseitigen Ansatz in dem Bemühen, die Verkehrssicherheit und insbesondere die von jungen Menschen zu verbessern. „Um die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren, müssen wir alle Maßnahmen aus dem Instrumentarium der Verkehrssicherheit einsetzen: Schulung und Aufklärung, Durchsetzung der bestehenden Vorschriften und zunehmend auch technologische Fortschritte“, sagte die Kommissarin bei der Vorstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2022 „Mobilität junger Menschen“ in Brüssel. „Auf diese Weise können wir Leben retten, auch das von jungen Menschen, deren Sterblichkeitsrate im Straßenverkehr unverhältnismäßig hoch ist.“

  • Für junge Fahrer: Aufklärung, Sanktionen, technologischer Fortschritt
  • Junge Menschen haben deutlich erhöhtes Unfallrisiko
  • Technischer Zustand der genutzten Fahrzeuge bleibt wichtiges Thema
Seit Jahren kommen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) pro Jahr weltweit mehr junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren bei Verkehrsunfällen ums Leben als durch HIV/Aids, Malaria oder Tuberkulose. „Um effizient und langfristig nachhaltig gegenzusteuern, sind große Anstrengungen aller Beteiligten notwendig“, betonte Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH, bei der Vorstellung des Reports.
Vier Faktoren dominieren das Straßenverkehrs-Unfallgeschehen bei jungen Menschen in vielen Staaten der Welt: Sie sind in der Mehrzahl männlich, sie sind im Pkw oder auf dem Motorrad unterwegs, sie sind zu schnell und möglicherweise alkoholisiert. Auch wenn die Zahl der bei Unfällen getöteten oder schwer verletzten Verkehrsteilnehmer zwischen 15 und 24 Jahren in den letzten zehn Jahren teilweise deutlich gesunken ist: Bezogen auf eine Million Einwohner dieser Altersgruppe liegen die Werte zumeist immer noch deutlich über dem Schnitt der anderen Altersgruppen.
Verschiedene Statistiken aus allen Teilen der Welt zeigen: Junge Menschen sind im Straßenverkehr stark gefährdet – vor allem als Fahranfänger. „Für alle Beteiligten sollte dies der unmissverständliche Auftrag sein, mit allen infrage kommenden Maßnahmen gegenzusteuern“, sagte Jann Fehlauer. Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 zeigt auf, wo es anzusetzen gilt, um alle sich bietenden Optimierungspotenziale effizient zu nutzen.
Handlungsfelder gibt es zur Genüge – allen voran in den Bereichen Mensch und Technik. So zählen zu den ganz großen Risikofaktoren bei Fahranfängern insbesondere mangelnde Fahrerfahrung, Selbstüberschätzung, unzureichende Fahrzeugbeherrschung, eingeschränkte Gefahrenwahrnehmung, Ablenkung vom Verkehrsgeschehen durch zum Beispiel die Nutzung digitaler Medien sowie Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen.
„All das sind Problembereiche, die nicht zuletzt auch im Rahmen der Fahrausbildung noch stärker in den Fokus rücken sollten, als dies bislang schon der Fall ist“, so Fehlauer. Vermittelt werden müssten neben dem Fahrzeughandling und der Regelkunde vor allem auch übergeordnete Kompetenzen wie sicherheitsrelevante Einstellungen, Selbstkontrolle, Selbstbeobachtung und die Akzeptanz von Verkehrsregeln. Ein Problem sieht der DEKRA Geschäftsführer außerdem darin, dass manche Führerscheinneulinge das Bestehen der Fahrprüfung so interpretieren, bereits gute Fahrer zu sein und nichts mehr lernen zu müssen. Jedoch sei meist das Gegenteil der Fall. „Wie beim Erlernen einer neuen Sportart müssen sich Regelwissen, Trainingspraxis und situationsgerechte Beobachtungs- und Bewegungsabläufe miteinander verbinden – durch kontinuierliche Übung im realen Straßenverkehr, auch nach der Fahrprüfung“, erläuterte Fehlauer.
Viele Mängel bei älteren Fahrzeugen, die junge Menschen häufig nutzen
Um aufzuzeigen, wie wichtig auch ein guter technischer Zustand von Fahrzeugen ist, hat DEKRA in seinem Technology Center am DEKRA Lausitzring mehrere Fahrversuche durchgeführt. Dabei zeigte sich wieder, dass insbesondere ein stabiler Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn – unabhängig von Wetter und Fahrbahnzustand – unabdingbar ist. Denn nur dann ist gewährleistet, dass auch Assistenzsysteme wie ABS oder ESP wirksam arbeiten können. Angesichts der Tatsache, dass viele junge Fahrerinnen und Fahrer vor allem aus finanziellen Gründen sehr häufig mit älteren Fahrzeugen unterwegs sind, bleibt die periodische Fahrzeugüberwachung somit ein ganz zentrales Element für die Verkehrssicherheit. „Die Folge von Alterung, Verschleiß, oftmals fehlendem Bewusstsein für technische Mängel sowie Sparen bei Reparatur und Wartung ist: Ältere Pkw weisen in der Regel wesentlich häufiger erhebliche Mängel auf und stellen damit ein größeres Unfallrisiko dar als jüngere Fahrzeuge“, gab Fehlauer bei der Präsentation des Reports zu bedenken.
„Ich bin dankbar, dass DEKRA junge Menschen in den Mittelpunkt des diesjährigen Verkehrssicherheitsreports gestellt hat und sich für den Schutz junger Verkehrsteilnehmer einsetzt“, erklärte die EU-Verkehrskommissarin. „Wir müssen sicheres Fahren durchsetzen. Aber wir brauchen auch einen Ansatz für ein sicheres System, der sicherstellt, dass unsere jungen Menschen Zugang zu sicheren Fahrzeugen und einer sicheren Infrastruktur haben. Wir werden weiterhin mit DEKRA zusammenarbeiten, um diesen Ansatz zu verwirklichen.“
Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2022 „Mobilität junger Menschen“ steht online unter www​.dekra-roadsafety​.com zum Download zur Verfügung.
Die DEKRA Forderungen für mehr Verkehrssicherheit mit Blick auf junge Menschen:
  • Besonders gefährliche Verhaltensweisen wie Alkohol und Drogen am Steuer, Ablenkung etwa durch das Smartphone oder übermäßige Geschwindigkeitsüberschreitungen müssen konsequent kontrolliert und geahndet werden.
  • Für Fahranfänger sollte überall ein absolutes Alkoholverbot am Steuer gelten. Die Erfahrungen in verschiedenen Ländern, unter anderem in Deutschland, belegen die Wirksamkeit.
  • Der Verbreitungs- und Nutzungsgrad etwa von telematikgestützten Feedback-Systemen sollte erhöht werden.
  • Junge männliche Fahranfänger stellen ein weit überdurchschnittliches Risiko für sich und andere dar. Diese Gruppe muss bei der Verkehrssicherheitsarbeit besonders in den Fokus gerückt werden – auch schon vor Beginn der Fahrausbildung.
  • Der mehrstufige Erwerb der Fahrerlaubnis hat sich vielerorts bewährt und sollte daher in weiteren Ländern eingeführt werden.
  • Nur eine von Fahrschulen unabhängige, transparente, standardisierte und qualitativ hochwertige theoretische und praktische Prüfung zum Erwerb der Fahrerlaubnis gewährleistet den nötigen Qualitätsstandard bei der Fahrausbildung.
  • Bereits während der Fahrausbildung sollte der Umgang mit Fahrerassistenzsystemen und automatisierten Fahrfunktionen vermittelt, aber auch die Grenzen dieser Systeme deutlich gemacht werden. Im Idealfall sollte der sichere Umgang mit diesen Systemen auch Teil der Fahrerlaubnisprüfung werden.
  • Die praktische Fahrausbildung sollte im Hinblick auf Straßencharakteristik (innerorts, schmale Landstraßen, Autobahn) und Lichtverhältnisse (Nachtfahrten) in allen Ländern möglichst umfassend gestaltet werden.
  • Angesichts der Tatsache, dass viele junge Menschen auf Landstraßen tödlich verunglücken, muss beim Neubau oder bei entsprechenden straßenbaulichen Veränderungen das oberste Ziel die selbsterklärende Straße mit fehlerverzeihender Seitenraumgestaltung sein.
  • Die Funktionsfähigkeit mechanischer und elektronischer Komponenten von Systemen der Fahrzeugsicherheit muss über das gesamte Fahrzeugleben hinweg gewährleistet sein. Die Inhalte der periodischen Überwachung von Kraftfahrzeugen sind entsprechend regelmäßig anzupassen.