Rund um den Globus – die kuriosesten Kreisverkehre der Welt

Author: Thorsten Rienth

14. Juni 2023 Sicherheit im Verkehr / Mobilität der Zukunft

Kreisverkehre sind für routinierte Fahrer kein besonderes Ereignis. Umso interessanter ist es, wie Ingenieure und Straßenplaner ihrer Kreativität freien Lauf lassen und kuriose Bauwerke entwerfen. Auch unter Wasser kann es im wahrsten Sinne rundgehen.

Kreisverkehre sind oft sicherer als klassische Kreuzungen und sorgen obendrein für einen besseren Verkehrsfluss. Kein Wunder, dass ihnen Verkehrsplaner gerne den Vorzug geben. Und das schon seit mehr als 120 Jahren: Um den Görlitzer Brautwiesenplatz fuhr man schon 1899 im Kreis herum – Altersweltrekord!
Auch beim Weltrekord in Sachen Größe liegen die Dinge eindeutig: Ihn hält der Persiaran Sultan Salah Uddin Abdul Aziz Shah-Kreisverkehr in Malaysia. Gelegen auf einer Halbinsel in der Stadt Putrajaya und ausgestattet mit mehr als einem Dutzend Auf- und Abfahrten bildet er ein Asphalt-Oval mit einer Länge von 3,5 Kilometern. Es umrahmt eine weitläufige Parkanlage, in der sich mit dem Istana Melawato eine offizielle Residenz des Yang di-Pertuan Agongs befindet, des Wahlkönigs von Malaysia.
Fünf Kreisel formen den „Magic Roundabout“
Im Ländervergleich der kuriosesten Kreisverkehre liegt England weit vorne. In Swindon in der Grafschaft Wiltshire etwa besteht der „Magic Roundabout“ aus fünf kleinen Kreisverkehren, die um einen großen Kreisel angeordnet sind. Zu allem Überfluss läuft der Verkehr in den äußeren Kreiseln im Uhrzeigersinn, im Inneren entgegen dem Zeiger. Die vermeintliche Chaos-Konstruktion erfüllt jedoch ihren Zweck: Nachdem das Bauwerk im Jahr 1972 in Betrieb ging, sanken die Unfallzahlen. Offenbar führt die Komplexität dazu, dass Autofahrer vorsichtiger und langsamer fahren. Mit dem „Rothbury mini-roundabout“ steht auch der kleinste Kreisverkehr der Welt in England. Er bringt es auf einen Durchmesser von lediglich 2,40 Meter – und ist garantiert aus jeder Perspektive einsehbar.
Eine spektakuläre Konstruktion steht zwischen den niederländischen Städten Eindhoven und Veldhoven. Aufgehängt mit 24 Abspannseilen an einem 70-Meter-Pylon erspart der „Hovenring“ täglich etwa 5.000 Fahrradfahrern die Überquerung einer vielbefahrenen Straßenkreuzung. Scheinwerfer beleuchten den Hovenring im Dunkel so geschickt, dass er von weiter weg aussieht, als würde er frei in der Luft schweben.
Färöer-Inseln: Kreisverkehr unter dem Meeresgrund
Aber wer sagt schon, dass Kreisverkehre nur oberirdisch Eindruck machen. Der Eysturoyartunnilin (auf Deutsch: Eysturoy-Tunnel) verbindet die beiden größten der Färöer-Inseln Streymoy und Eysturoy inklusive Kreisverkehr unter dem Meeresgrund. Die Mittelsäule besteht aus natürlichem Gestein und wird geschickt von mehreren Scheinwerfern in verschiedenen Blautönen angeleuchtet. Bringen Autofahrer ein bisschen Fantasie mit, sehen sie dadurch Meerwasser durch die Säule laufen.
Andere Kreisverkehre dagegen fallen weniger durch ihre große, kleine, hohe oder tiefe Konstruktion auf, sondern aufgrund eines in der Mitte stehenden Objekts. Im südfranzösischen Salon-de-Provence thront ein ehemaliges Kunstflug-Flugzeug vom Typ Fouga Magister der Patrouille de France auf einem Kreisverkehr. Die Idee kommt nicht von ungefähr: Nebenan liegt ein Standort der Ecole de l’Air, der Militärhochschule der französischen Luftstreitkräfte.
Die Bielstraße im schweizerischen Lyss erreichte dank eines reichlich überdimensionierten Kreisverkehr-Plattenspielers Berühmtheit. Das Label der aufgelegten Platte ziert das für die benachbarte Kulturfabrik stehende Kürzel KUFA. Stilecht sind am Plattenspielerrand in vier Reihen 800 runde Metallplättchen verbaut.
In Monheim am Rhein schießt ein künstlicher Geysir aus dem Kreisverkehr
Deutlich umstrittener war da schon eine vor einigen Jahren eröffnete Konstruktion in Monheim am Rhein in Deutschland: Immer nach 64 Sonnenstunden halten Ampeln den Verkehr an, damit eine künstliche zwölf Meter hohe Wasserfontäne aus der Kreiselmittel gen Himmel schießen kann. Gut, dass auf der Internetseite der Stadt eine Uhr die verbleibende Zeit zum nächsten Ausbruch herunterzählt. Auch, damit der Verkehr rechtzeitig angehalten werden kann.
„Vorfahrt hat immer derjenige, der sich bereits im Kreisverkehr befindet“
Markus Egelhaaf aus der DEKRA Unfallforschung über Sinn und Zweck von Kreisverkehren.
Herr Egelhaaf, bei einigen der kuriosen Kreisverkehre stellt sich schon die Frage, ob sie verkehrstechnisch wirklich Sinn ergeben.
Unterm Strich ist die Antwort über Sinn oder Unsinn eines Kreisverkehrs immer eine Einzelfallentscheidung: Wie hoch ist die Verkehrsdichte? Sind auf der Strecke viele Nutzfahrzeuge unterwegs oder in erster Linie Pkw? Wie schwer ist es für den Verkehr aus Seitenstraßen überhaupt, in den Kreisel hineinzukommen? Wie sieht es mit Fußgängern und Radfahrern aus? Solche Kontexte analysieren Verkehrsplaner vor dem Bau sehr genau. Außerdem sind die Gegebenheiten an Ort und Stelle entscheidend. Kreisverkehre brauchen nämlich mehr Platz als Kreuzungen. Zunehmend spielen bei der Planung auch Nachhaltigkeitsfragen eine Rolle: Kreisverkehre benötigen keine Ampeln, sparen also Strom und Ressourcen. Es kommt zu weniger beziehungsweise kürzeren Brems-, Stand- und Beschleunigungsvorgängen. Das spart Kraftstoff.
Sind die Kreisel generell sicherer als Kreuzungen?
In vielen Fällen gilt das allein schon deshalb, weil die gefahrenen Geschwindigkeiten in Kreisverkehren deutlich geringer sind. Niedrigere Geschwindigkeiten bedeuten immer auch geringere Unfallfolgen. Bei Kreuzungen fährt dagegen immer das Risiko mit, dass der eine noch schnell bei „Dunkelgelb“ queren möchte – aber der andere schon die ersten Meter losgefahren ist oder die Kreuzung keine Ampelregelung hat und die Geschwindigkeiten auf der übergeordneten Fahrbahn hoch sind. Solche Unfälle verlaufen zumeist weniger glimpflich.
Außerhalb von Kreisverkehren gilt in Deutschland die Rechts-vor-links-Regel, in den Kreisverkehren ist es genau andersherum.
Vorfahrt hat immer derjenige, der sich bereits im Kreisverkehr befindet. Zur Sicherheit sind an den Einfahrten auch stets gut sichtbar „Vorfahrt gewähren“-Schilder angebracht. Im Kreisverkehr wiederum gilt die Verpflichtung, bei der Ausfahrt die Regeln des Abbiegens zu beachten und den Blinker zu betätigen. Dadurch können andere Verkehrsteilnehmer fließender in den Kreisel einfahren. Ein wichtiger Punkt bei der Ausfahrt: Querende Radfahrer und Fußgänger haben Vorrang. Auch in solchen Situationen ist eine im Vergleich zu Kreuzungen geringere Geschwindigkeit sehr relevant! Außerdem wichtig zu wissen: Selbst innerhalb Europas gibt es an Kreisverkehren unterschiedliche Regelungen. Wer mit dem Auto ins Ausland fährt, sollte sich vorher über die lokalen Vorschriften und Gepflogenheiten im Zielland und den Transitländern informieren.
Kreisverkehre werden auch gerne genutzt, um in der Mitte zum Beispiel ein Kunstwerk zu platzieren. Wie bewerten Sie als Unfallforscher das?
Je spektakulärer die Kreiselgestaltung, desto höher ist insbesondere bei ortsfremden Autofahrern das Ablenkungspotenzial. Wer zu lange auf die Kunst schaut, der verpasst schnell eine Ausfahrt oder die Haltelinie. Andererseits sind Sichthindernisse nicht zwangsläufig schlecht – wenn dadurch zum Beispiel der Fuß etwas früher vom Gas geht. Allerdings dürfen die Kunstwerke nicht selbst zur Gefahr werden. Große und scharfkantige Stahlkonstruktionen zum Beispiel können schnell wie Aufspießvorrichtungen wirken. Die zuständigen Straßenbauämter haben deshalb einen sehr genauen Blick auf alles, was manch einer gerne auf einen Kreisverkehr stellen würde.