DEKRA Experten bei ITC-Konferenz in Genf

Nachhaltiger Verkehr: SCR-Manipulationen und was dagegen getan werden kann

23. Feb. 2023 Mobilität der Zukunft / Automobil / Nachhaltigkeit

Das Inland Transport Committee (ITC), das höchste Entscheidungsgremium der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) im Bereich Verkehr, ist in Genf zusammengekommen. Zentrales Thema der 85. Sitzung sind Maßnahmen des Landverkehrssektors zur Reduzierung gesundheits- und klimaschädlicher Emissionen. Die weltweit tätige Expertenorganisation DEKRA beteiligt sich auch in diesem Jahr an der Veranstaltung und stellt dabei die Problematik der manipulierten SCR-Katalysatorsysteme in den Mittelpunkt. Verkehrsminister, Staatssekretäre und Botschafter aus mehr als 50 Ländern waren zu einer technischen Demonstration eingeladen, die das Problem erläuterte und mögliche Gegenmaßnahmen aufzeigte.

  • Technische Demonstration für hochrangige Teilnehmer
  • Stickoxid-Emissionen sind gesundheitsgefährdend
  • Manipulierter Euro-VI-Lkw erzeugt 40-mal höhere NOx-Emissionen
Die Anforderungen an Abgasemissionen in den Typgenehmigungsvorschriften für Straßenfahrzeuge sind hoch. Unter anderem müssen die Fahrzeughersteller Maßnahmen zur Reduzierung der hochgiftigen Stickoxide (NOx) umsetzen. Vor allem für schwere Fahrzeuge sind SCR-Katalysatoren die effektivste technische Lösung und werden daher in praktisch jedem modernen Nutzfahrzeug und auch in den meisten modernen Pkw verbaut. Sie verwenden AdBlue-Flüssigkeit, die zusätzlich zum Dieselkraftstoff nachgetankt werden muss.
„Zu viele Anwender manipulieren die Systeme, um die Betriebskosten zu senken, und machen damit die Schadstoffreduzierung unwirksam“, sagt Christoph Nolte, Leiter der DEKRA Service Division Fahrzeugprüfung. „Manipulationskits inklusive Soft- und Hardwarelösungen sind für alle gängigen Nutzfahrzeuge einfach online erhältlich.“
In der technischen Demonstration zeigten die DEKRA Experten anhand von eigenen Forschungsergebnissen, dass ein manipulierter Euro-VI-Lkw rund 40-mal mehr NOx-Emissionen ausstößt als ein normales Fahrzeug. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Untersuchungen der dänischen Straßenverkehrsbehörde (Færdselsstyrelsen). Studien aus verschiedenen Ländern haben ergeben, dass bis zu 20 Prozent der schweren Nutzfahrzeuge auf diese Weise manipuliert werden. „Die hochwirksamen SCR-Systeme, die in der Regel mehr als 90 Prozent der Stickoxid-Emissionen aus dem Abgas entfernen, lassen sich mit sehr geringem Kosten- und Zeitaufwand deaktivieren“, sagt Nolte. „Vereinfacht gesagt, wird aus einem manipulierten Euro-VI-Lkw ein Euro-II-Lkw. Das ist inakzeptabel und muss eingedämmt werden.“
Derzeit lässt sich weder über On-Board-Diagnosesysteme noch bei der Hauptuntersuchung der Einbau solcher Manipulationskits zweifelsfrei nachweisen. Deshalb sind aus Sicht von DEKRA Schutzmaßnahmen und erweiterte standardisierte Diagnosemöglichkeiten notwendig. Experten von DEKRA und Færdselsstyrelsen erläuterten den ITC-Teilnehmern die Problematik, zeigten auf, wie SCR-Systeme häufig umgangen werden und skizzierten mögliche Gegenmaßnahmen, die ergriffen werden könnten. „Dazu könnten geänderte Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen gehören, um einen besseren Schutz zu gewährleisten, ebenso eine Standardisierung der Diagnose, um die Erkennung bei Straßenkontrollen und im Rahmen der Hauptuntersuchung zu ermöglichen, sowie wirksame Sanktionen, um Manipulationen zu verhindern“, so DEKRA Experte Christoph Nolte.