Nachhaltigkeit im Sport: Jetzt wird abgerechnet

Author: Achim Geiger

19. Juni 2024 Nachhaltigkeit

Die UEFA EURO 2024 soll nachhaltiger werden als jede andere Europameisterschaft zuvor. Aber wie nachhaltig kann eine solche Großveranstaltung überhaupt sein?

Jetzt soll eine wissenschaftliche Begleituntersuchung für eindeutige Antworten sorgen. Die Nachhaltigkeitsexperten von DEKRA sind bei diesem Projekt mit einer Ex-post-Klimastudie engagiert.
Die Fußball-Europameisterschaft der Herren in Deutschland – die UEFA EURO 2024 – wird in der Zeit vom 14. Juni bis zum 14. Juli mehrere Millionen Zuschauer in Stadien und Fanzonen locken. Eine Veranstaltung dieser Größenordnung besitzt eine enorme Strahlkraft über den Sport hinaus. Damit sich das positive Bild nicht eintrübt, kommt es für die Entscheidungsträger in den Sportorganisationen und in der Politik darauf an, im Hinblick auf die Umweltauswirkungen Transparenz zu erzeugen. „Der wesentlichste Teil der Treibhausgasemissionen bei Großveranstaltungen geht in der Regel auf das Konto der Mobilität und dort wiederum auf die An- und Abreise der Zuschauer“, erklärt Moritz Weißleder von DEKRA Assurance Services. Der Produktmanager Nachhaltigkeit in Sport & Events hat bereits eine Reihe von Treibhausgasbilanzen verantwortet – unter anderem für Fußballvereine in der Bundesliga und für Veranstalter von Skirennen. Auch die UEFA EURO 2024 hat der Experte auf dem Schirm: Diese Europameisterschaft – so die Ankündigung der Veranstalter – soll so nachhaltig werden wie keine andere zuvor.
Die UEFA EURO 2024 soll Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit setzen
Tatsächlich dürfte die UEFA EURO 2024 in mehrfacher Hinsicht Maßstäbe setzen. Zunächst einmal nimmt sie Abschied vom Anspruch der Klimaneutralität, die mit CO2-Kompensationen an anderen Stellen arbeitet. Stattdessen kommt jetzt das Modell der Klimaverantwortung ins Spiel. Dahinter steht die Idee, dass man die unvermeidbaren Emissionen mit einem angemessenen Preis beaufschlagt und daraus ein Klimabudget ermittelt, das sich später in langfristig wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Sportbereich investieren lässt. Aber wie klimaschonend kann eine Europameisterschaft überhaupt sein? Passgenaue Antworten liefern seit mehreren Jahren offizielle Studien. Die Referenz für die UEFA EURO 2024 bildet eine im Oktober 2022 vorgestellte Konzept- und Machbarkeitsstudie des Freiburger Öko-Instituts. Die im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellte Arbeit enthält eine umfassende und differenzierte Bilanz der Treibhausgasemissionen, die in den Bereichen Verkehr, Energie, Catering, Organisation und Materialeinsatz zu erwarten sind.
Wissenschaftler dokumentieren die THG-Emissionen der Europameisterschaft
Das Öko-Institut hat in der Studie einen Gesamtwert der Treibhausgas (THG)-Emissionen von bis zu 490.000 Tonnen CO2-Äquivalenten berechnet, was deutlich unter dem Ergebnis der EURO 2016 in Frankreich läge, aber über dem der EURO 20/21, die wegen Corona erheblichen Einschränkungen der Besucherzahlen unterworfen war. Der gemeinsame Nenner der letzten Studien: Sie wurden im Vorfeld der jeweiligen Europameisterschaften erstellt und bildeten die Basis für die Bewertungen in Sachen Nachhaltigkeit. Diese Praxis hat allerdings einen Haken. Es geht doch schlicht darum, zu ermitteln, wie groß der CO2-Abdruck im Rückblick tatsächlich war. Die Verantwortlichen für die UEFA EURO 2024 gehen jetzt mit einer wissenschaftlichen Begleitung des Events neue Wege.
Für die Klimastudie sind die Nachhaltigkeitsexperten von DEKRA gefragt
Gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), soll ein am 1. Juli 2023 gestartetes und auf 18 Monate angelegtes Verbundprojekt der Universität Bielefeld und der Deutschen Sporthochschule Köln die soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit der UEFA EURO 2024 unter die Lupe nehmen. Kern der Evaluationsstudie ist eine Vorher-Nachher-Betrachtung, um die Wirkungen in Sachen Nachhaltigkeit systematisch analysieren zu können. Auch die Ökobilanz-Experten der DEKRA Assurance Services sind in diesem Projekt engagiert. Ihr Auftrag ist eine Ex-post-Klimastudie, die unter anderem den gesamten CO2-Abdruck der Europameisterschaft ermittelt. Dazu gehören allerdings nicht nur die Emissionen in den Stadien, sondern auch die im Umfeld der zehn Spielorte der Europameisterschaft. Die sogenannten Host Cities richten nämlich für ihre Fanmeilen eigene Infrastrukturen mit Ständen, Zelten und Bühnen und anderen Anlagen ein. Um den jeweiligen ökologischen Impact zu bewerten, sind zum Beispiel die genauen Energieverbräuche von Interesse. Auch die verkauften Speisen und Getränke stellen eine relevante Größe dar.
Nur mit exakten Emissionsdaten lässt sich eine zuverlässige Bilanz ermitteln
„Die Studie des Öko-Instituts arbeitet zwangsläufig mit gewissen Annahmen“, berichtet Moritz Weißleder. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie stand zum Beispiel noch gar nicht fest, welche Teams sich für das Turnier qualifizieren würden. Eine weitere Variable bilden die internationalen Fans. Wenn mehr Fans aus dem europäischen Ausland anreisen als angenommen oder sich ihre Aufenthaltsdauer bei einem entsprechenden Verlauf des Turniers verlängert, kann das zu spürbaren Veränderungen der Annahmen und damit auch zu Mehremissionen führen. Der Vorteil der Ex-Post-Studie der DEKRA Experten liegt also auf der Hand: Die berechneten Treibhausgas-Emissionen bauen auf zuverlässigeren Daten auf als die Vorab-Studie. Das hat übrigens den Effekt, dass die Ermittlung der finanziellen Mittel, die im Rahmen der Klimaverantwortung für die effektiven THG-Emissionen aufzuwenden sind, viel genauer – und wohl auch gerechter – ausfallen dürften. Auf Moritz Weißleder und sein fünfköpfiges Team wartet jetzt jede Menge Arbeit. Die ersten Berichte entstehen schon während des Turniers. Liegen dann nach dem Finale alle benötigten Daten vor, steht der Abschlussbericht für die Universität Bielefeld auf der Agenda. Geplant ist die Abgabe für Ende September.