Nachhaltigkeit: Papier – ein ganz besonderer Stoff
Author: Hannes Rügheimer
Fast jeder zweite industriell gefällte Baum weltweit wird zu Papier verarbeitet. In den Industriestaaten ist der Papierverbrauch immens und keineswegs rückläufig – längst haben Verpackungsmaterialien und Haushaltspapiere die Rückgänge bei Telefonbüchern und Versandhauskatalogen kompensiert. Umso wichtiger ist es, bei der Nutzung von Papier so gut es geht auf dessen Nachhaltigkeit zu achten.
Man könnte meinen, der weltweite Papierverbrauch sei rückläufig. Schließlich wurden Telefonbücher und Versandhauskataloge längst durch Online-Angebote ersetzt, die Auflagenzahlen von Zeitungen und Zeitschriften sind rückläufig, und unter vielen E-Mails steht ein warnender Hinweis im Sinne von „Bitte überlegen Sie sich, ob Sie diese Nachricht wirklich auf Papier ausdrucken müssen.“ Tablets reduzieren die Notwendigkeit, Inhalte zum Lesen oder Kommentieren auf Papier zu handhaben.
Doch die Annahme ist trügerisch. Tatsächlich wächst der weltweite Papierverbrauch unaufhaltsam. So meldet etwa der World Wide Fund For Nature (WWF), dass im Jahr 1970 rund um den Globus noch etwa 130 Millionen Tonnen Papier produziert und verbraucht wurden. 2005 waren es bereits 367 Millionen Tonnen und 2019 sogar 415 Millionen Tonnen. Auch seither gibt es keine Indikationen für einen Rückgang.
Auch Bemühungen für umweltbewussteres Verhalten erhöhen den Papierverbrauch
Vor allem die Industriestaaten konsumieren viel Papier. So berichtet der deutsche Naturschutzbund Deutschland (NABU): Während zwei Dritteln der weltweiten Bevölkerung durchschnittlich nur etwa 20 Kilogramm pro Kopf zur Verfügung stehen, verbrauchen 14 Prozent der globalen Bevölkerung mit über 125 Kilogramm pro Kopf mehr als die Hälfte der globalen Papierproduktion.
Die Folge: Fast jeder zweite industriell gefällte Baum weltweit wird zu Papier verarbeitet. Den eingangs erwähnten Rückgängen bei Telefonbüchern, Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften steht ein massiver Zuwachs im Bereich Verpackungen gegenüber. Er ist getrieben vom Boom beim Online-Shopping, hinzu kommen aber auch die Resultate von Bemühungen, sich umweltbewusster zu verhalten: Viele Kunststoffverpackungen werden heute durch Papier-Pendants ersetzt – von Produkt-Umverpackungen bis hin zum Einweg-Kaffeebecher. Dies trägt wiederum zur Erhöhung des Papierverbrauchs bei. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung von sogenannten Haushaltspapieren – also Küchentüchern oder Toilettenpapieren.
Dabei haben rund 90 Prozent des produzierten Papiers nur eine kurze Lebens- beziehungsweise Einsatzdauer. Sie werden nur einmalig beziehungsweise kurz genutzt, bevor sie wieder entsorgt werden. Angesichts dieser Fakten ist es sicherlich sinnvoll, den eigenen Papierverbrauch zu überdenken, genutztes Papier der Sammlung von Altpapier zuzuführen und wo immer möglich Recycling-Papier zu nutzen.
Der WWF nennt weitere Spartipps, die eigentlich auf der Hand liegen, aber trotzdem immer noch zu selten befolgt werden: Man möge Papier, wenn überhaupt nötig, beidseitig bedrucken, Fehldrucke als Notizzettel nutzen, statt beim Einkauf Papiertüten zu nutzen lieber einen Stoffbeutel mitbringen und in den Coffee-Shop einen eigenen Thermobecher mitbringen.
Welchen Öko-Labels kann man trauen?
Ein so großer Markt birgt natürlich auch das Risiko, dass nicht alle Beteiligten sich an geltende Gesetze und Regeln halten. So warnt etwa der WWF, dass Jahr für Jahr erhebliche Mengen an Papier und dem Vorprodukt Zellstoff aus potenziell illegalen Quellen in die EU gelangen.
Wer seinen Papierverbrauch so nachhaltig wie möglich gestalten will, muss sich deshalb etwas intensiver mit der Materie befassen. Dabei stolpern auch motivierte Konsumenten und Nutzer jedoch schnell über ein unübersichtliches Dickicht an Umweltschutz-Labels und Zertifikaten. Welchen davon können sie trauen?
• Als grundsätzlich sinnvoll und vertrauenswürdig gilt das FSC-Label (
www.fsc.org
). Die Abkürzung steht für Forest Stewardship Council, ein internationales Zertifizierungssystem für Forstwirtschaft. Es kennzeichnet Holz- und Papierprodukte, die aus Wäldern stammen, die verantwortungsvoll bewirtschaftet werden – sprich nach definierten ökologischen und sozialen Kriterien. Dazu zählt beispielsweise, dass ein mit dem FSC-Label zertifizierter Nutzwald frei von gentechnisch veränderten Pflanzen ist. Auch FSC-zertifiertes Holz und Papier sind nicht ökologisch perfekt – aber das Label gilt als das mit Abstand anspruchsvollste auf dem internationalen Markt.
• Orientierung bei Recycling-Papierprodukten bietet in Deutschland das von der deutschen Bundesregierung unterstützte Umweltzeichen „Blauer Engel“ (
www.blauer-engel.de
). Damit zertifiziertes Recyclingpapier wurde zu 100 Prozent aus Altpapier und überdies ohne chlorhaltige Bleichmittel oder andere Chemikalien hergestellt. Nutzer aus anderen Ländern können sich an den Kooperationspartnern des deutschen Labels orientieren, die sich gemeinsam im „Global Ecolabelling Network“ (GEN,
www.globalcolabeling.net
) organisiert haben. Zu den Mitgliedern zählen beispielsweise das „EU Eco Label“, die US-amerikanischen Labels „Ecologo“ und „Epeat“, der in Katalonien vergebene „Environmental Quality Guarantee Award“, der schwedische „Good Environmental Choice“, der ukrainische „Grüne Kranich“, die niederländischen Labels „Milieukeur“ und „On the Way to PlanetProof“ sowie einige weitere, die auf der GEN-Website aufgeführt werden.
„Papier ist ein anschauliches Beispiel für Effekte, die wir im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfragen immer wieder sehen“, kommentiert Sebastian Bartels, Senior Vice President und Head of Global Sustainability Services bei DEKRA SE: „Was man auf der einen Seite verbessert, kann an anderer Stelle etwas anderes bewirken, was so nicht erwünscht war.“ Gerade Verbraucher sollten sich aber darauf verlassen dürfen, dass sich Hersteller um die Nachhaltigkeit ihrer Produkte kümmern. Und das gelte eben auch für Papier und andere Holzprodukte.
„Ein anderes Beispiel sind die Entwicklungen, Kunststoffverpackungen durch Papierverpackungen zu ersetzen. Das klingt zunächst nach einer sinnvollen und umweltfreundlichen Verbesserung, ist aber oft nur möglich, wenn man dem Papier eine Folienbeschichtung mitgibt. Diese ist zwar nur sehr dünn, führt aber dazu, dass man das Papier oft gar nicht mehr recyclen kann. Die Sammlung und Recycling von Kunststoffverpackungen wären dann womöglich besser gewesen“, sagt Sebastian Bartels.
„Mit ihrer Green-Claims-Direktive arbeitet die EU-Kommission zumindest darauf hin, dass Labels und Zertifizierungen zuverlässiger und aussagekräftiger werden“, erklärt der Leiter der Corporate Focus Area Sustainability Services von DEKRA. „Die Bereiche Klimaschutz und Produktnachhaltigkeit sind in besonderem Maße von Ehrlichkeit, Vertrauen und Transparenz abhängig. Konsumenten und auch Geschäftskunden haben in der Realität kaum eine Chance, alle Angaben selbst zu überprüfen. Hier bieten unabhängige und akkreditierte Verifizierer und Zertifizierer wie DEKRA einen enormen Mehrwert in vielen Bereichen des Alltags und in den Lieferketten.“
DEKRA unterstützt Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit
Nachhaltige Energiegewinnung und Energieträger, nachhaltige Lieferketten oder Produktnachhaltigkeit – dies sind nur einige Beispiele für die Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre Klima- und Umweltbilanz verbessern wollen. Die Motivation dazu kommt zum Teil aus eigenem Antrieb, etwa wenn sich Unternehmen selbst schärfere ESG-Ziele setzen als gesetzlich vorgeschrieben. Zum anderen gibt es aber auch klare Vorgaben von der EU-Kommission und den jeweiligen nationalen Gesetzgebern. Sie leiten sich vom „EU Green Deal“, der EU-Taxonomie und einzelnen Direktiven wie der CSRD ab (Corporate Sustainability Reporting Directive – der Verpflichtung, ESG-Reportings zu erstellen). Auch Investoren formulieren inzwischen klare Erwartungen an die nachhaltige Entwicklung der Unternehmen, in die sie investieren. Diese adressieren neben Klimaschutz in der Regel auch Themen des Umweltschutzes, der Sicherheit und Gesundheit sowie Sozialstandards in den Lieferketten.
Zu den konkreten Dienstleistungen, die DEKRA seinen Kunden im Bereich Nachhaltigkeit anbietet, zählen etwa die Unterstützung im Bereich der Unternehmens- und Produktnachhaltigkeit, Klimabilanzierungen, Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten, oder Trainings zu Nachhaltigkeitsthemen. Aber auch die Prüfung oder Zertifizierung von Wind- und Solartechnik, Batteriespeichern oder Wasserstoff ist eine Kernaufgabe von DEKRA.