Oldie mit Brief und Siegel

Author: Michael Vogel

12. Juli 2023 Mobilität

Das H-Kennzeichen erfreut sich weiterhin wachsender Beliebtheit. Um als „historisch“ zu gelten, muss ein Fahrzeug umfangreiche Kriterien erfüllen.

Aufregung in der Oldtimerszene. Kürzlich hatte der Bundesrechnungshof die Steuerermäßigung für Oldtimer beanstandet, die ein H-Kennzeichen tragen und als Alltagsfahrzeuge genutzt werden: Die rasante Zunahme steuerlich begünstigter Fahrzeuge führe dazu, dass die jährlichen Einnahmen bei der Kraftfahrzeugsteuer um 170 Millionen Euro geringer ausfielen und dass solche Fahrzeuge zudem den Klimazielen der Bundesregierung zuwiderliefen, so die Kritik. Das Bundesfinanzministerium bestritt dagegen, dass mit dem H-Kennzeichen Fahrzeuge für den Alltagsverkehr subventioniert werden, sah keine Datenbasis für einen Handlungsbedarf.
Fest steht, dass die Zahl der Oldtimer in Deutschland seit Jahren steigt. Laut der gemeinsamen jährlichen Auswertung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) und der BBE Automotive GmbH waren zum 1. Januar 2022 rund 648.000 Pkw als Oldtimer beim Kraftfahrt-Bundesamt angemeldet. Das sind fast elf Prozent mehr als ein Jahr zuvor und rund dreimal so viele wie 1997 bei der Einführung des Kennzeichens.
Fahrzeug muss 30 Jahre alt sein
Um ein H-Kennzeichen zu bekommen, muss ein Fahrzeug mindestens 30 Jahre alt sein. Jedoch trägt bei Weitem nicht jeder Oldtimer das H-Kennzeichen. Zum Stichtag 1. Januar 2022 – aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor – waren es 57 Prozent der zugelassenen Oldtimer, in absoluten Zahlen 372.000. Ein Jahr zuvor waren es noch 347.000 Fahrzeuge, was binnen Jahresfrist ein Plus von sieben Prozent bedeutet. Da jedoch die Gesamtzahl der Oldtimer um die besagten knapp elf Prozent gestiegen ist, sank der Anteil von Fahrzeugen mit H-Kennzeichen am gesamten Oldtimerbestand um zwei Prozentpunkte, von 59 auf 57 Prozent. Der Anteil der zugelassenen Oldtimer mit H-Kennzeichen oder rotem 07er-Kennzeichen am Gesamtbestand in Deutschland zugelassener Fahrzeuge ist weiterhin sehr gering mit gerade mal 1,5 Prozent. Ein 07er-Kennzeichen erlaubt gegenüber dem H-Kennzeichen nur sehr eingeschränkt Fahrten.
Die Gründe für die Liebe zum Oldtimer sind wohl vielschichtig. Manche Menschen sehen in solchen Fahrzeugen sogar eine Form der Geldanlage. Laut einer im April 2023 veröffentlichten Studie gibt es in der Bevölkerung insgesamt eine überwiegend positive Einstellung zu Oldtimern. 76 Prozent der Befragten sehen in solchen Fahrzeugen ein Kulturgut. Mehr als 70 Prozent gaben an, sich zu freuen, wenn sie einen Oldtimer auf der Straße erblicken. Zwei Drittel der Befragten könne man als Fans bezeichnen, so die Studie weiter, die gemeinsam vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), vom Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), vom VDA und der BBE Automotive GmbH herausgegeben wurde.
H-Kennzeichen sorgt für Steuerbegünstigung
Der Reiz des H-Kennzeichens besteht darin, dass der Gesetzgeber solche Fahrzeuge steuerlich begünstigt. Ihre Kfz-Steuer beläuft sich unabhängig vom Hubraum auf 191,73 Euro im Jahr. „Der Gesetzgeber würdigt damit den Aufwand, den der Besitzer für den Erhalt eines Oldtimers treiben muss“, sagt Carsten Bräuer, Kfz-Sachverständiger für Oldtimer bei DEKRA. „Für das H-Kennzeichen muss ein Fahrzeug zeitgenössisch, in einem guten Erhaltungszustand sein und als Repräsentant der jeweiligen Dekade des automobilen Kulturgutes angesehen werden können.“ Das heißt, dass solche Oldtimer weitestgehend im Originalzustand sein und Restaurierungen fachgerecht ausgeführt sein müssen. Von den notwendigen Aufwendungen, Oldtimer in einem guten Zustand zu erhalten, profitiert eine ganze Branche von Restaurierungsbetrieben und nicht zuletzt dadurch auch die öffentliche Hand, durch Einnahmen bei zum Beispiel Umsatz- und Gewerbesteuer.
Für die Zulassung muss neben Fahrzeugpapieren und Kfz-Haftpflichtpolice ein Oldtimer-Gutachten nach Paragraf 23 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sowie eine bestandene Hauptuntersuchung vorliegen. Um die Begutachtung zu bestehen, muss ein Fahrzeug insgesamt in einem guten Erhaltungszustand sein – zum Beispiel wären großflächige Rostschäden oder starke Beulen jeweils ein K.o.-Kriterium. Umbauten toleriert der Gesetzgeber, falls sie innerhalb von zehn Jahren nach der Erstzulassung üblich waren und somit als zeitgenössisch eingestuft werden können. Nicht zeitgenössische Umbauten sind nur zulässig, wenn sie nachweislich vor mindestens 30 Jahren erfolgten. „Umgekehrt heißt das aber auch, dass etwa bei einem Fahrzeug aus den Achtzigerjahren eine vollflächige Folierung nicht akzeptiert wird, weil es so etwas damals noch nicht gab“, verdeutlicht Bräuer. Ein anderes Beispiel: „In einem Wohnmobil aus den Siebzigern – also die Zeit der karierten Stoffe – dürfen keine Vorhänge mit einem 2020er-Design hängen.“ Es gehe eben nicht nur um Fahrwerk und Motor, sondern auch um die Innenraumgestaltung. Wobei Bräuer betont: „Wir sind keine Geschmackspolizei! Es muss nur alles zeitgemäß sein, um als Kulturgut anerkannt zu werden.“
Umbauten auf eigene Faust sind ein No-Go
In Sachen Unterhaltungselektronik sind Abweichungen zulässig: Neuere Technik darf verwendet werden, wenn ein zeitgenössisches Erscheinungsbild erhalten bleibt. „Da haben die Hersteller viel geleistet, etwa indem sie neue Technik mit alter Optik auf den Markt gebracht haben“, sagt der Kfz-Sachverständige.
Kritisch dagegen wird es bei einigen Unverbesserlichen – nach Bräuers Erfahrung eine kleine Minderheit unter den Oldtimerhaltern: „Bei der Begutachtung hält das Fahrzeug alle Bau- und Betriebsvorschriften ein, danach wird es umgebaut.“ So könne man sich ziemlichen Ärger einhandeln, bei einer Polizeikontrolle zum Beispiel und natürlich spätestens bei der nächsten Hauptuntersuchung. „Denn bei jeder Hauptuntersuchung erfolgt automatisch auch eine Überprüfung, ob der Oldtimer noch die Kriterien für das H-Kennzeichen erfüllt.“ Bräuers lakonischer Rat an alle, die sich nicht an die gesetzlichen Auflagen halten wollen: „Einfach regulär zulassen.
Für die große Mehrheit dagegen ist ein Oldtimer dann am besten, wenn er nah am Originalzustand ist. Das lässt sich auch an der geringen Fahrleistung erkennen: Durchschnittlich liegt sie bei 1.600 Kilometern pro Jahr – Oldtimer sind keine Option für jeden Tag. „Wer schon mal damit gefahren ist, weiß, dass das kein verlockendes Fortbewegungsmittel für den heutigen Alltagsverkehr ist. Weiterhin muss auch jedem klar sein, dass ein Oldtimer als Alltagsfahrzeug unvermeidlich witterungs- und nutzungsbedingte Schäden- und Gebrauchsspuren bekommt, die wiederum hohe Erhaltungs- und Instandsetzungskosten nach sich ziehen“, so Bräuer. „Da muss man schon Liebhaber sein.“
Umweltzonen und Einfahrtverbotszonen
Fahrzeuge mit H-Kennzeichen dürfen in Umweltzonen fahren, obwohl sie nicht die dort geltenden Emissionsauflagen erfüllen. Der Gesetzgeber würdigt damit den Aufwand, den Oldtimerliebhaber zum Erhalt des automobilen Kulturgutes beitragen. Durch die geringen Fahrleistungen von Oldtimern wird ein nennenswerter Einfluss auf die Gesamtbelastung kaum zu verzeichnen sein. Dagegen sind kommunal erlassene Einfahrt-Verbotszonen (beispielsweise Diesel-Verbotszonen) auch von Oldtimern zu beachten – sie dürfen dort nicht einfahren.