Schlaf = Regeneration = Gesundheit = Leistungsfähigkeit
Author: Matthias Gaul
Um langfristig vital und gesund zu bleiben, ist erholsamer Schlaf eine ganz zentrale Voraussetzung. Viele Menschen leiden allerdings unter Schlafstörungen und können nicht richtig ein- oder durchschlafen. Das wirkt sich ungünstig auf ihren Organismus aus. Schlechter Schlaf kann massiv die Arbeits- und die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.
Würde es nach Napoleon gehen, wären wohl die meisten Menschen Idioten. Schließlich soll der französische Feldherr mal gesagt haben: „Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau, sechs ein Idiot.“ Sei’s drum. Denn man könnte darauf erwidern: „Lieber ein Idiot sein, als das Risiko eingehen, durch zu wenig Schlaf krank zu werden. Diese Gefahr besteht durchaus, wie unter anderem Forscher der Universität Paris nachgewiesen haben. Das Wissenschaftlerteam um Séverine Sabia erforschte anhand von Daten von knapp 8.000 Frauen und Männern aus Großbritannien über einen Zeitraum von 25 Jahren die Zusammenhänge von Schlafdauer und chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten oder Krebs. Die im Oktober 2022 in der Fachzeitschrift PLOS Medicine veröffentlichten Ergebnisse zeigen unter anderem, dass eine kurze Schlafdauer von dauerhaft unter fünf Stunden gegenüber sieben und acht Stunden Schlaf mit einem um 20 Prozent erhöhten Risiko einer chronischen Erkrankung und anschließender Mehrfacherkrankung respektive Multimorbidität verbunden ist.
Hohes Fehlerrisiko und immense Kosten
Nicht ohne Grund empfiehlt daher zum Beispiel die American Academy of Sleep Medicine und die Sleep Research Society, dass Erwachsene pro Nacht mindestens sieben Stunden schlafen sollten. Bei gesunden Menschen erfolgt dabei ein regelmäßiger Ablauf von Dämmer-, Tief- und Traumschlaf. Sie bilden die Grundlage der sogenannten Schlafarchitektur. Idealerweise sollten pro Nacht fünf Zyklen zu je zirka 90 Minuten durchlaufen werden. Beim Aufstehen empfiehlt es sich, zügig in die Gänge zu kommen. Fünf Minuten Dösen nach dem Aufwachen sollte in der Regel ausreichen. Dann kann der Tag gut erholt beginnen.
Schlafmangel wirkt sich sowohl auf die körperliche als auch auf die geistige Gesundheit aus. „Am Arbeitsplatz erhöht übermäßige Schläfrigkeit erheblich die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitsunfalls, der zu Verletzungen führen und im schlimmsten Fall tödlich enden kann“, sagt Grace Thai, Principal Consultant bei DEKRA North America. Ebenso habe Schlafentzug Auswirkungen auf andere Aspekte der Arbeitsleistung einschließlich Produktivität, Aufgabenmanagement und Zielerreichung. Tatsächlich belegen zahlreiche Untersuchungen, dass diejenigen Menschen, die weniger schlafen, häufiger krank sind, mehr Fehlzeiten im Job haben und anfälliger für Fehler bei der Arbeit werden. Hiervon betroffen sind häufig Schichtarbeiter.
„Das Ausmaß der Müdigkeit kann je nach Dauer und Qualität des Schlafs, der Ruhe und der stressabbauenden Aktivitäten zu- oder abnehmen“, ergänzt Grace Thai unter Bezugnahme auf eine Studie des Liberty Mutual Research Institute for Safety. Danach haben Menschen nach 5,5 bis 6,5 Stunden Schlaf pro Nacht ein doppelt so hohes Fehlerrisiko wie eine Person mit mehr als 6,5 Stunden Schlaf. Bei weniger als 5,5 Stunden Schlaf ist das Fehlerrisiko sogar fast fünfmal so hoch.
Darüber hinaus verursacht Müdigkeit am Arbeitsplatz durch Produktivitätsausfall und Fehlzeiten immense jährliche Kosten, wie die Denkfabrik Rand Europe schon vor ein paar Jahren in ihrer Studie für fünf OECD-Staaten errechnet hat. Mit 411 Milliarden Dollar muss dabei die US-amerikanische Wirtschaft den größten Verlust in Kauf nehmen. Es folgen Japan mit 138 Milliarden Dollar, Deutschland mit 60 Milliarden Dollar, das Vereinigte Königreich mit 50 Milliarden Dollar und Kanada mit 21,4 Milliarden Dollar. Diese Zahlen ließen sich vergleichsweise problemlos nach unten korrigieren. Würden zum Beispiel alle Amerikaner, die weniger als sechs Stunden schlafen, mindestens eine Stunde länger schlummern, könnte die dortige Wirtschaft 226,4 Milliarden Dollar sparen. In Deutschland würde sich diese Zahl auf 34,1 Milliarden Dollar belaufen.
Müdigkeit am Steuer ist für viele Unfälle mitverantwortlich
Neben der Arbeitssicherheit und der Schaffenskraft beeinträchtigt Schlafmangel auch massiv die Verkehrssicherheit. So hat die vom National Heart, Lung, and Blood Institute in Bethesda/US-Bundesstaat Maryland durchgeführte „Sleep Heart Health Study“ ergeben, dass sechs Stunden Schlaf pro Nacht im Vergleich zu sieben oder acht Stunden mit einem um 33 Prozent erhöhten Unfallrisiko verbunden sind. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Schlafentzug zu einer psychischen Beeinträchtigung führen kann, die der Trunkenheit ähnelt. Dabei entsprechen 17 Stunden ohne Schlaf ungefähr einem Blutalkoholgehalt (BAK) von 0,5 Promille, 24 Stunden ohne Schlaf einem BAK von 1 Promille.
Für die USA schätzt die National Highway Traffic Safety Administration auf der Grundlage von Polizei- und Krankenhausberichten, dass Schläfrigkeit am Steuer im Jahr 2021 zu 684 Verkehrstoten geführt hat – ein Plus von über acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte allerdings noch weitaus höher sein. Wie das niederländische Institut for Road Safety Research in seinem 2019 veröffentlichten Fact Sheet zum Thema „Fatigue“ (Müdigkeit) schreibt, sind insbesondere Lkw-Fahrer, Taxifahrer, Schichtarbeiter und junge Männer besonders gefährdet, in einen ermüdungsbedingten Straßenverkehrsunfall verwickelt zu werden. „Um gegenzusteuern, kommt neben genügend Schlaf und entsprechenden Fahrpausen auch Assistenzsystemen große Bedeutung zu“, sagt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf unter Verweis auf die von der EU-Kommission im März 2019 verabschiedete General Safety Regulation. Die Verordnung schreibt verschiedene sicherheitsrelevante Fahrerassistenzsysteme für neue Kraftfahrzeuge auf Europas Straßen verbindlich vor. Hierzu gehört unter anderem ein Warnsystem bei Müdigkeit und nachlassender Aufmerksamkeit des Fahrers. „Ein Feature also mit hohem Mehrwert, das Sekundenschlaf verhindern und Leben retten kann, wenn die Fahrerinnen und Fahrer die Warnungen entsprechend ernst nehmen und schnellstmöglich eine ausreichende Pause einlegen“, so Markus Egelhaaf.
Verhaltensänderungen für eine gesunde Schlafhygiene
Wenige der Ursachen für Schlafstörungen sind offensichtlich und vergleichsweise einfach zu ändern. Dazu gehört beispielsweise das Schlafumfeld, konkret die Situation im Schlafzimmer. Dort sollte es stets ruhig sein. Krach kann den Schlaf stark beeinträchtigen, weshalb Menschen, die nahe an Flughäfen, Autobahnen, Bahntrassen oder Baustellen wohnen, fast immer mit Schlafproblemen zu kämpfen haben. Eine in diesem Zusammenhang in letzter Zeit immer wieder gern gestellte Frage lautete übrigens: Hat Windenergie negative Auswirkungen auf die Gesundheit? Eine neue medizinische Studie des Woolcock Institute of Medical Research aus Australien kommt zu dem Schluss, dass der sogenannte „leise Schall“, der von Windkraftanlagen ausgeht, der menschlichen Gesundheit nicht schadet. „Wir konnten eindeutig nachweisen, dass der von Windturbinen erzeugte Infraschall keine Schwindelgefühle oder Übelkeit hervorruft, keine Auswirkungen auf die Gesundheit des Herzens oder der Psyche hat und auch den Schlaf nicht beeinträchtigt“, erklärte der Leiter der Studie, bei der Präsentation der Ergebnisse im März 2023.
Auch das eigene Verhalten kann die Nachtruhe verbessern. So sollte man spät abends nichts zu Schweres mehr essen und Alkohol nur in geringen Maßen genießen. Zwar macht Alkohol müde, er stört aber die wichtigen Tiefschlafphasen und sorgt dafür, dass der Schlaf insgesamt weniger erholsam ist. Dasselbe gilt für Koffein und Nikotin. Vor dem Zubettgehen pflegt man am besten entspannungsfördernde Rituale wie zum Beispiel ein warmes Bad, Atemübungen und Yoga. Und wer regelmäßig Sport treibt, legt ebenfalls eine solide Grundlage für einen erholsamen Schlaf.
Effizientes Ermüdungsrisikomanagement
Viele Branchen wie zum Beispiel Bergbau, Öl und Gas, Fluggesellschaften und das Gesundheitswesen haben damit begonnen, formelle Programme für das Risikomanagement bei Ermüdung einzuführen. Bei der Implementierung eines solchen Programms sollten Unternehmen insbesondere auf diese Faktoren achten:
- Sicherstellung einer angemessenen Personalausstattung und einer ausgewogenen Arbeitsbelastung
- Schaffung einer der Wachsamkeit förderlichen Arbeitsumgebung
- Durchführung individueller Bewertungen hinsichtlich des Ermüdungsrisikos
- Überprüfung und Untersuchung von Vorfällen unter Einbeziehung der Ermüdungserkennung
- Aufklärung von Mitarbeitern und Vorgesetzten zum Thema Müdigkeit
Quelle: DEKRA North America