Sicher parken, besser ankommen

Author: Jana Bronsch-Chassard

22. März 2023 Sicherheit im Verkehr / Automobil

Sichere Lkw-Parkplätze sind nach wie vor Mangelware. Der EU-weit einheitliche Sicherheitsstandard für Lkw-Parkareale soll den Gütertransport gefahr- und stressfreier gestalten. Digitale Buchungsplattformen helfen dabei, die Stellflächen effizienter zu nutzen und den Alltag von Berufskraftfahrenden komfortabler zu machen.

Die Uhr tickt und nach Vorschrift ist dringend eine Pause nötig, nur ein Stellplatz ist nicht zu bekommen. Lkw an Lkw reihen sich an der Autobahnraststätte. Woanders einen Platz für einen 40-Tonner zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Doch die laut der Verordnung (EU) 2020/1054 geltenden Ruhezeiten müssen eingehalten werden, sonst drohen Bußgelder. So wird die Zu- oder Ausfahrt vom Rastplatz zur Notlösung. Parkplatzmangel für Lastkraftwagen ist ein wachsendes Problem auf europäischen Straßen. Die Logistikbranche steht vor großen Herausforderungen: Allein in der EU fehlen laut Studien etwa 400.000 sichere Lkw-Stellplätze.
Lkw-Parkplatzmangel als Risikofaktor
Schlecht ausgeleuchtet ist der falsch parkende Lkw am Straßenrand oder gar auf dem Verzögerungs- oder Beschleunigungsstreifen entlang der Autobahn schwer erkennbar. Unfälle mit fatalen Folgen sind häufig die Konsequenz dieses Falschparkens. Und der Parkplatzmangel stellt nicht nur eine Gefahr für Leib und Leben dar. Die Transportbranche muss auch gegen Diebstahl der wertvollen Fracht, der Ausrüstung und Beschädigungen von Fahrzeugen kämpfen. Unmittelbare finanzielle Verluste und Lieferverzögerungen sind die primären Probleme. Daneben stehen Wiederbeschaffung, Reparaturen, Versicherungskosten und mitunter auch Kunden- und Imageverlust. Nach Schätzungen der Branche entstehen in der EU jährlich allein durch Frachtdiebstähle Schäden in Höhe von 8,2 Milliarden Euro.
Europaweiter Standard für sichere Lkw-Stellplätze
Doch der Straßengüterverkehr ist nach wie vor der dominierende Verkehrsträger innerhalb der Europäischen Union. 75 Prozent des Binnengüterverkehrs werden darüber abgewickelt. Der Handlungsdruck ist groß, den Sektor entsprechend seiner Leistungsfähigkeit sicherer zu machen. Eine von der Europäischen Kommission unterstützte Initiative namens „Truck Parking Europe“ hat sich das Ziel gesetzt, dem generellen Parkplatzmangel entgegenzuwirken und die Sicherheitslücken im Transportbereich zu schließen. Mit einem 2018 eingeführten europaweiten Standard für sichere Lkw-Parkplätze soll der Schutz von Fahrern, Gütern und Fahrzeugen gefördert werden. Der Standard „Safe and Secure Truck Park Area (SSTPA)“ stellt eine Reihe von Sicherheitsanforderungen an die Infrastruktur, die Technologie und die Prozesse. Lkw-Parkplätze, die der SSTPA-Norm entsprechen, müssen zudem eine Reihe von Service-Anforderungen erfüllen wie beispielsweise mehrsprachige Informationsmöglichkeiten, sanitäre Einrichtungen und Verpflegungsmöglichkeiten. Ganz besondere Anforderungen werden auch an die Sicherheit gestellt. So sind die Parkareale – je nach Sicherheitsstufe – durch eine Umzäunung, kontinuierliche Kameraüberwachung und Security-Personal geschützt.
Digitale Buchungsplattformen für mehr Sicherheit
An der Entwicklung des SSTPA-Regelwerks waren auch DEKRA Experten mit ihrem Verkehrs- und Zertifizierungs-Know-how beteiligt. Schließlich stellen unabhängige Audits ein europaweit gleichwertig hohes Niveau entsprechender Lkw-Parkplätze sicher. Die Standards, nach denen die Lkw-Parkplätze bewertet werden, sind in vier aufeinander aufbauenden Sicherheitsstufen unterteilt: Bronze, Silber, Gold und Platin. Einer der Unterschiede zwischen Bronze und Platin ist beispielsweise die Abgrenzung des Parkareals. Während bei Bronze eine visuelle Grenze den Parkplatz definiert, ist bei Platin eine physische Barriere mit Überkletterschutz installiert.
Flottenbetreiber und Lkw-Fahrer können die Stellplätze entweder im Vorfeld einer Tour online oder spontan per App buchen. Da die Benutzung solcher Parkplätze kostenpflichtig ist, stellt sich für die Betreiber damit ein Businessmodell dar. Logpay, der Mobilitätsdienstleister von Volkswagen Financial Services, hat Ende 2020 das Portal Truck Parking Europe übernommen und bietet derzeit über 34.000 Lkw-Parkflächen an. Auch Bosch Secure Truck Parking bietet in Zusammenarbeit mit TRAVIS Road Services in 14 Ländern Europas rund 15.000 Stellplätze über eine gemeinsame Buchungsplattform an. Der Straßengüterverkehr-Versicherer KRAVAG, der zur R+V Versicherungsgruppe gehört, verfolgt mit KRAVAG Truck Parking ein Sharing-Konzept. Nutzer können auch zu Anbietern von Parkflächen werden, indem sie beispielsweise ihr Firmengelände zur Vermietung anbieten.
Ausbau und Optimierung von Lkw-Parkplätzen
Intelligente digitalisierte Parkplatz-Buchungsmöglichkeiten helfen dabei, die vorhandenen Areale effizienter zu nutzen. Gleichzeitig müssen generell mehr Parkflächen geschaffen werden, denn nach Prognosen des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) wird die Hauptlast des Gütertransports auch weit über das Jahr 2050 hinaus per Lkw befördert werden. Entsprechende Maßnahmen zum Ausbau und Optimierung der Parkflächen würden neben den genannten Vorteilen zugunsten der Sicherheit auch zur Minderung des CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr führen. Denn jede Suche nach einem geeigneten Stellplatz verursacht unnötige Emissionen. Zudem würde die unter Personalmangel leidende Branche auch für angehende Berufskraftfahrende attraktiver werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten wäre dann nicht länger ein Glücksspiel mit Gefahrpotenzial entlang der Route, sondern ein planbarer und stressfreier Bestandteil des Berufsalltags als Lkw-Fahrender.