Sicherheit und Gesundheit – was kann die Safety Culture Ladder?

Author: Joachim Geiger

24. Apr. 2024 Sicherheit bei der Arbeit / Audit

Klar wäre es gut, wenn in einem Unternehmen alle Mitarbeiter in Sachen Sicherheit an einem Strang ziehen. Aber wie lässt sich ein gemeinsames Verständnis und Engagement für Sicherheit erreichen? Die Safety Culture Ladder gibt Unternehmen ein Tool an die Hand, das den Aufstieg zur Sicherheitskultur ermöglicht.

„Die Safety Culture Ladder (SCL) ist eine beim niederländischen Normungsinstitut (NEN) angesiedelte Norm, um die Einstellung und das Verhalten der Menschen in einem Unternehmen in den Bereichen Sicherheit und Gesundheitsschutz zu messen“, erklärt Lena Wollbeck, Projektmanagerin Nachhaltigkeit bei DEKRA Assurance Services. Aber welche Relevanz für mehr Sicherheit kann das Beobachten und Bewerten von Praktiken, Werten und Visionen haben? Außerdem gibt es doch Normen wie die ISO 45001, die Anforderungen an ein Managementsystem für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz festlegt und dazu auch die entsprechenden Anleitungen zur Anwendung bereitstellt.

Starker Bezug zur Praxis

Tatsächlich steht die SCL nicht in Konkurrenz zu etablierten Normen – sie geht bewusst einen anderen Weg, um eine Sicherheitskultur im Unternehmen aufzubauen. Dass dabei ein starker Bezug zur Praxis eine Rolle spielt, liegt in der DNA des Systems. Entwickelt hat die SCL 2012 der niederländische Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber Pro Rail, um das Sicherheitsbewusstsein in den eigenen Reihen und bei Dienstleistern und Zulieferern zu verbessern. Die internationale Erfolgsgeschichte der Norm beginnt vier Jahre später – 2016 hat Pro Rail die Sicherheitsleiter dem NEN übereignet und sie damit auch anderen Wirtschaftszweigen zugänglich gemacht. Seit 2019 firmiert die Sicherheitsleiter unter der Marke „Safety Culture Ladder“. Eine Zertifizierungsstelle der ersten Stunde für die SCL ist DEKRA Certification BV im niederländischen Arnhem.

Mit Stufe drei der Sicherheitsleiter beginnt der Aufstieg in höhere Sphären

Das Leitermodell der SCL basiert auf fünf Szenarien, die jeweils einen bestimmten Reifegrad der Sicherheitskultur eines Unternehmens beschreiben. Dabei zeigt jede Stufe der Leiter an, in welchem Stadium der Entwicklung sich ein Unternehmen gerade befindet. Auf den beiden unteren Stufen ist es demnach um die Sicherheit eines Unternehmens nicht gut bestellt. Wer primär auf Umsatz und Gewinn strebt und dabei Unfälle in Kauf nimmt, steht auf Stufe eins. Auf Stufe zwei dominiert ein reaktives Muster – kommt es zu einem Vorfall, erfolgt eine Veränderung zum Besseren spontan und kurzfristig. Mit Stufe drei beginnt der Aufstieg in höhere Sphären – die Unternehmensleitung definiert Sicherheit als Mehrwert und hat dazu Leitlinien für die Mitarbeiter ausgearbeitet. Auf Level vier sind sich alle Mitarbeiter im Unternehmen über die Bedeutung von Sicherheit im Klaren. Kommt es zu Fehlern, arbeiten alle konsequent daran, Rückfälle zu verhindern. Auf Stufe fünf schließlich ist Sicherheit vollständig in alle Unternehmensprozesse integriert.

DEKRA Assurance Services betreut in Deutschland die Einführung der SCL

Seit Anfang des Jahres ist die SCL in der Version 2.0 auf dem Markt. „Die SCL 2.0 ist die Antwort auf das Interesse einer Vielzahl verschiedener Branchen. Sie arbeitet den Schwerpunkt Kultur, Haltung und Verhalten noch stärker heraus als die Vorgängerversion. Insbesondere die Arbeit mit dem Kulturschema ist jetzt einfacher geworden“, beschreibt DEKRA Expertin Lena Wollbeck die Fortschritte. Eine wichtige Rolle für die zunehmende Akzeptanz der Safety Culture Ladder spielt der Stromnetzbetreiber Tennet mit Hauptsitz in Arnhem. Das Unternehmen, das auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern aktiv ist, erwartet von seinen Geschäftspartnern ein konsequentes Engagement für die Sicherheit in ihren Unternehmen – am besten auf Basis eines SCL-Zertifikats. „Wir waren eine der ersten Anlaufstellen für die SCL in Deutschland. Mittlerweile haben wir nicht nur zusammen mit der DEKRA Akademie SCL-Auditoren ausgebildet, sondern auch einer Reihe von Unternehmen zum Zertifikat verholfen“, berichtet Lena Wollbeck. Die Interessenten für die SCL kommen zum Beispiel aus der Bauindustrie, der Energie- und Geotechnik. Aber auch Landschaftspfleger, Archäologen und Schädlingsbekämpfer stehen auf der Kundenliste.

Die Auditoren gehen neue Wege zur Beurteilung der Sicherheitsstandards

Und was macht die Safety Culture Ladder letztlich für Unternehmen interessant? Im Prinzip beschreibt sie Rahmenbedingungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz. Allerdings behalten die Unternehmen in allen Phasen der Zertifizierung die Freiheit für eigene Entscheidungen – die SCL gibt zwar vor, was geregelt werden muss, aber nicht wie. Anders als klassische Normen bewertet sie auch keine Mindeststandards, sondern den Sicherheitsgrad, mit dem Mitarbeiter ihre Arbeitsprozesse ausführen. Dieser Ansatz erfordert allerdings eine spezielle Methode, um die Sicherheitskultur zu messen und zu bewerten. Die Auditoren sammeln die nötigen Informationen durch Beobachtungen und Gespräche mit den Mitarbeitern – und zwar auf allen Ebenen eines Unternehmens und in allen Arbeitsumgebungen.

Wer sich auf die SCL einlässt, muss bis zu einem Jahr Vorbereitung einplanen

Die Bestandsaufnahme im Rahmen des Audits endet mit einem Prüfungsbericht. Er enthält die Schlussfolgerungen der Auditoren zur erreichten Stufe. Anschließend entscheidet die Zertifizierungsstelle auf dieser Basis, ob eine Zertifizierung erfolgen kann. Wer sich auf das Instrument SCL einlässt, muss – je nach Größe des Unternehmens – bis zu einem Jahr Vorbereitung einplanen, bis die Stärken und Verbesserungen auf allen Ebenen identifiziert sind und alle Mitarbeiter im Boot sitzen. War dann das finale Audit erfolgreich, steht in den beiden Folgejahren nach der Zertifizierung jeweils ein weiteres Audit an, das die Einhaltung des erreichten Standards überprüfen soll. Im Jahr darauf beginnt mit der Rezertifizierung ein neuer Zyklus. Und wie stehen die Chancen für einen erfolgreichen Abschluss? „Eine gute Vorbereitung, eine gründliche Beratung durch einen DEKRA Experten und ein Erfahrungsaudit sind die besten Voraussetzungen für das Gelingen“, sagt Lena Wollbeck.
Mehr Informationen erhalten Sie hier. https://www​.dekra​.de/de/safety-culture-ladder/