Unwetter: Wie verhalte ich mich während der Fahrt?

Author: Michael Vogel

18. Okt. 2023 Sicherheit im Verkehr

Sturm, Starkregen, Hagel oder Überflutungen: Wie reagiere ich, wenn ich mit dem Auto, Wohnmobil oder Motorrad in ein Unwetter gerate? Die Grundregel lautet: keine unnötigen Risiken eingehen.

Hagelkörner so groß wie Golfbälle. Wassermassen, die innerhalb von Sekunden eine Straße unpassierbar machen. Oder Windböen, die Lkw umwerfen. In den vergangenen Monaten waren solche Bilder immer wieder in den Nachrichten zu sehen. Während manche Unwetter großflächig auftreten – etwa ein Orkan – sind andere lokal eng begrenzte Extremereignisse. Starkregen kann in kurzer Zeit einen ganzen Ort unter Wasser setzen – im Nachbarort tröpfelt es aber womöglich nur. Nur wie verhalte ich mich in so einem Fall als Verkehrsteilnehmer? „Gibt es eine amtliche Unwetterwarnung, dann ist der erste Fehler, den man machen kann, überhaupt loszufahren“, sagt Markus Egelhaaf, Unfallforscher bei DEKRA. „Kaum eine Fahrt kann so wichtig sein, dass man sich dieser Gefahr aussetzen muss.“
Während der Fahrt: Volle Konzentration, Abblendlicht einschalten und Geschwindigkeit anpassen
Wer dagegen unterwegs im Fahrzeug von einem Unwetter überrascht wird, sollte alles unterlassen, was ein zusätzliches Risiko bedeutet. Daher empfiehlt Egelhaaf: „Beide Hände am Steuer, nicht telefonieren, Radio nur für Verkehrsmeldungen nutzen – keine Musik, Nachrichten oder ähnliches.“ So sei gewährleistet, dass die maximale Aufmerksamkeit dem Verkehr gilt. Tagsüber sollte nicht nur das Tagfahrlicht, sondern das Abblendlicht eingeschaltet sein. Auch die Geschwindigkeit muss angepasst werden. „Insgesamt wird in solchen Situationen häufig zu schnell und mit viel zu wenig Sicherheitsabstand gefahren“, kritisiert Egelhaaf.
Anhalten aufgrund der Wetterlage: Geeigneten Platz finden
Wer aufgrund des schlechten Wetters lieber anhalten möchte, bis das Schlimmste vorbei ist, sollte dies nicht unvermittelt tun. Schon gar nicht auf der Fahrbahn. Besser: Eine geeignete Stelle suchen. „In der Stadt kann das neben regulären Parkplätzen auch ein Firmenparkplatz sein, auf einer Landstraße vielleicht die Einmündung in einen Feldweg“, so Egelhaaf. Wichtig sei, dass das Fahrzeug nicht zum Hindernis für andere wird.
„Besonders schwierig ist es auf Autobahnen. Bei Fehlen einer Abfahrmöglichkeit bleibt nur der Standstreifen – dann aber mit eingeschaltetem Warnblinker und Abblendlicht.“ Bei dichterem Verkehr wird es auf der Autobahn ohnehin zum Stau kommen. „Einfach mit dem Fahrzeug auf der Fahrbahn unter Brücken stehen zu bleiben, ist dagegen eine gefährliche Unsitte, egal auf welcher Straßenart“, sagt der Unfallforscher. „Ausnahme sind allenfalls Motorradfahrende, die sich am äußerst rechten Fahrbahnrand selbst in Sicherheit bringen.“
Besondere Gefahr bei Sturm: Hier ist Vorsicht geboten
Bei Sturm sind Wälder und Bäume am Fahrbahnrand spezielle Gefahrenstellen. Äste oder ganze Bäume könnten auf die Fahrbahn stürzen. Auf Brücken trifft der Wind das Fahrzeug ungebremst und mit starkerIntensität von der Seite. Gefährdet sind dabei Fahrzeuge mit großer Windangriffsfläche: Etwa Lastwagen, Wohnmobile oder Wohnwagen, SUVs und Fahrzeuge mit Dachbox. „Neben Brücken bringen auch die Ausfahrten von Tunneln oder jegliches Überholen eines großen Fahrzeugs Risiken mit sich, weil sich die Seitenwindverhältnisse dabei abrupt verändern“, warnt Egelhaaf. Motorradfahrende sind bei Sturmböen eher gefährdet, weil sie mit nur zwei Rädern anfälliger für Seitenwind sind. Zudem machen sich auch flatternde Kleidung, ein Tankrucksack oder ein Topcase ungünstig bemerkbar, weil sie die Angriffsfläche vergrößern.
Starkregen und Hagel: Unterführungen und Senken meiden
Bei Starkregen oder Hagel sollte man Senken und Unterführungen meiden. Hier kann es schnell zu Überflutungen kommen. Etwa durch Wasser, das aus der Kanalisation nach oben drückt, durch Laub und Schlamm verstopfte Gullys oder Bäche, die sich in reißende Ströme verwandeln. „Steht eine Straße unter Wasser, ist ein Durchfahren auch bei vermeintlich geringer Wasserhöhe gefährlich, weil man nie weiß, wie der Untergrund aussieht“, sagt der Unfallforscher.
Schlamm kann die Griffigkeit der Reifen so weit verringern, dass ein Fahrzeug von allein oder bei einer geringen Strömung ins Rutschen kommt. Werden Kanaldeckel ausgespült, bedeuten die im Wasser verborgenen offenen Schächte auch für Fahrzeuge mit großen Rädern das abrupte Ende einer Fahrt. Selbst wenn es solche Gefahren nicht gibt, setzen die Bauhöhe des Fahrzeugs und die Höhe, in der der Motor Luft ansaugt, rasch Grenzen: Das Auto kann aufschwimmen oder der Motor Wasser ansaugen. Hängt das Fahrzeug manövrierunfähig im Wasser fest, sollten sich die Insassen schnellstmöglich in Sicherheit bringen. „Je nach Situation ist das der Weg ans rettende Ufer oder der aufs Fahrzeugdach. Im zweiten Fall sollte man unmittelbar über die 112 Hilfe rufen“, so Egelhaaf.
Bei Gewitter bietet das geschlossene Fahrzeug Schutz
„Ein geschlossenes Fahrzeug bildet einen Faraday‘schen Käfig“, sagt Egelhaaf. „Schlägt der Blitz ein, wird die elektrische Energie über die Karosserie außen abgeleitet. Die Insassen sind geschützt.“ Dies gilt auch in modernen Cabrios mit geschlossenem Dach, weil der Überrollbügel und die Mechanik des Verdecks aus Metall bestehen. Bei Wohnmobil und Wohnwagen dagegen ist der Schutz nicht unbedingt gegeben, falls die Außenhülle ausschließlich aus GFK (glasfaserverstärktem Kunststoff) besteht. Im Wohnwagen darf sich während der Fahrt ohnehin niemand aufhalten.
Auf dem Laufenden bleiben
Wer sich vor dem Fahrtantritt informieren will, findet Unwetterwarnungen beispielsweise in Wetter-Apps für das Handy. Die Warnung vor wetterbezogenen Gefahren obliegt in Deutschland dem Deutschen Wetterdienst (DWD). Es gibt insgesamt fünf Warnstufen. Kategorie vier („amtliche Unwetterwarnung“) und fünf („amtliche Warnung vor extremem Unwetter“) sind besonders kritisch. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe betreibt die App NINA, die ebenfalls die Warnungen des DWD ab Stufe drei verbreitet. Natürlich kann man sich auch in den Nachrichten im Radio oder TV über mögliche Unwetter auf dem Laufenden halten, allerdings sind diese häufig räumlich wenig differenziert.