Ladeinfrastrukur: Das Rückgrat der E-Mobilität
Author: Michael Vogel
Die öffentliche Ladeinfrastruktur ist ein wichtiger Faktor in der Antriebswende. Der Aufbau von Ladepunkten hat sich in der EU deutlich beschleunigt.
Fast elf Millionen Elektrofahrzeuge sind inzwischen auf europäischen Straßen unterwegs. Jedes fünfte in Europa verkaufte Auto war im vergangenen Jahr ein Hybridfahrzeug oder ein reiner Stromer. Trotz des stagnierenden Absatzes 2024 erwartet der europäische Industrieverband ChargeUpEurope mit Sitz in Brüssel, dass der Anteil von elektrisch angetriebenen Autos in der EU von derzeit vier Prozent bis 2030 auf rund 30 Prozent steigen wird. Und obwohl in Europa mehr als 90 Prozent der Ladevorgänge im privaten Umfeld, bei der Arbeitsstätte oder in Flottendepots erfolgen, geht es nicht ohne öffentliche Ladesäulen, um eine zuverlässige und ausreichend dichte Energieversorgung zu ermöglichen. Laut ChargeUpEurope waren zum Ende des ersten Quartals 2025 ungefähr 950.000 öffentliche Ladepunkte in den 27 Ländern der EU verfügbar.
Der Verband prognostiziert, dass deren Zahl im Lauf der nächsten zehn Jahre auf 3,8 Millionen steigen wird. Es dürfte also eine rege Bautätigkeit geben. DEKRA Experte Michael Ringleb kann bestätigen, dass das Tempo bei der Installation von Ladesäulen in den vergangenen Monaten wieder „deutlich angezogen“ hat. Er ist Produktbetreuer Elektrotechnik und E-Mobilität bei DEKRA Automobil sowie anerkannter Sachverständiger Elektrotechnik. In dieser Funktion begleitet er auch den Aufbau von Ladesäulen: „Der Umfang ist dabei sehr unterschiedlich. Er reicht von der reinen Abnahme nach geltenden Normen, nachdem eine Ladesäule installiert worden ist, bis zur Begleitung eines Projekts vom Spatenstich bis zur Abnahme.“
E-Auto laden – aber sicher
Beim Laden dürfen Spannung und Temperatur der Batteriezellen keine kritischen Grenzwerte überschreiten. Auch der Strom, den ein Ladepark aus dem Versorgungsnetz bezieht, muss unter einem bestimmten Wert bleiben. Nur so ist sichergestellt, dass weder die Batteriezellen zu Schaden kommen, noch die Ladestation oder das Versorgungsnetz überlastet werden. Zudem muss die Ladestation so ausgeführt sein, dass Menschen bei ihrer Nutzung vor Stromschlägen geschützt sind.
Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit. Aber Ladegeräte im Freien sind stark schwankender Luftfeuchtigkeit, Regen, Eis und UV-Strahlung ausgesetzt. Sie können zudem beschädigt oder sogar sabotiert werden. Trotzdem müssen die Betreiberunternehmen sicherstellen, dass Menschen auch dann nicht zu Schaden kommen. Sicherstellen lässt sich das durch eine normgerechte Installation, die geeignete Sicherungsmechanismen vorsieht – und eine Abnahme, bevor eine Ladesäule in Betrieb geht. „Eine solche Abnahme umfasst eine Sichtprüfung sowie die Prüfung von relevanten Dokumenten und Protokollen gemäß den regulatorischen Vorgaben“, erklärt Ringleb.
Mehr zur Sicherheit an Ladestationen erfahren Sie hier:
https://www.dekra.de/de/expertentipp-dguv3-ladesaeulen/
Fachkräftemangel ist auch beim Bau von Ladestationen spürbar
Er hat bei solchen Bauprojekten schon so einiges erlebt. „Hier fällt einem der Fachkräftemangel wirklich auf“, sagt der DEKRA Sachverständige. „Manchmal hat man den Eindruck, dass jeder, der weiß, wie man ein Stromkabel anschließt, sich für ausreichend kompetent hält, eine Ladestation zu installieren, die eine immense elektrische Leistung im hohen Kilowattbereich liefert.“ Er habe Fälle erlebt, in denen Bedienungs- oder Montageanleitungen erkennbar nicht gelesen worden seien, teils habe es an Wissen gefehlt, „das Stoff der Ausbildung im ersten oder zweiten Lehrjahr ist“. Das Problem liege nicht bei den Investoren oder Betreibern der Ladesäulen, sondern oft daran, dass das ausführende Unternehmen wiederum Teilaufgaben an nicht ausreichend qualifizierte Subunternehmen vergeben. „Da werden beispielsweise Kabelquerschnitte zu klein dimensioniert oder die Erdung nicht richtig ausgeführt“, nennt Ringleb zwei Beispiele, die er mehrfach erlebt hat. Als Sachverständiger sorgt er dafür, dass vor der Abnahme solche und andere Mängel fachgerecht abgestellt werden.
Drei verschiedene Ladetechnologien in Europa
Unterteilt nach Ladeleistung gibt es in der EU drei verschiedene Technologien: Wechselstromladen bis 22 Kilowatt Ladeleistung, Gleichstromladen mit mehr als 22 Kilowatt sowie Hochleistungsgleichstromladen mit mindestens 150 Kilowatt, gerne auch als Schnellladen bezeichnet. Wurden im vergangenen Jahrzehnt hauptsächlich noch Wechselstrom-Ladesäulen installiert, weil das für viele Stromer ausreichte und die Ladetechnologie noch nicht so weit entwickelt war, sind in den vergangenen Jahren vor allem Gleichstromladesäulen installiert worden. Je höher die Ladeleistung der Ladesäule, desto schneller kann ein Elektrofahrzeug laden, vorausgesetzt es unterstützt dies technisch.
Laut ChargeUpEurope ist die Zahl der Gleichstromschnellladesäulen von 2020 bis 2024 deutlich rascher gestiegen als die der Wechselstromladesäulen. Insgesamt ist die öffentliche Ladeinfrastruktur in der EU innerhalb des vergangenen Jahrzehnts mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 39 Prozent gewachsen. Seit 2022 habe die Dichte des Ladenetzes um 88 Prozent zugenommen, so der Verband. Bei der Installation von Schnellladern sind Deutschland, Frankreich und Schweden führend.
Status Quo: die Ladeleistung in den EU-Ländern
Auf 100.000 Einwohner kamen Ende 2024 in den 27 EU-Ländern durchschnittlich 199 Ladepunkte über alle Leistungsklassen. Besonders hoch ist die Quote in Belgien (1005), den Niederlanden (655), Dänemark (598) und Schweden (507). Schlusslichter sind Rumänien (24), Polen (25) und Zypern (37). Frankreich (234) und Deutschland (189) liegen im Mittelfeld. Länder, die eher später mit dem Aufbau der Ladeinfrastruktur begonnen haben, haben laut ChargeUpEurope tendenziell Ladesäulen mit höherer Leistung installiert.
Die Scientific Foresight Unit, ein interdisziplinäres Technologieberatungsgremium des Europäischen Parlaments, empfahl den EU-Mitgliedsstaaten aufgrund eines Experten-Workshops im Frühjahr vier Maßnahmen, um den Ausbau des europäischen Ladenetzes weiter voranzutreiben:
- den Netzanschluss zu beschleunigen und vorausschauend in die Netzinfrastruktur zu investieren,
- die Lizenzvergabe in den Mitgliedstaaten zu straffen, um eine Marktfragmentierung zu vermeiden,
- Investitionsanreize zu schaffen, vor allem für das Laden schwerer Nutzfahrzeuge und für das Laden in ländlichen Gebieten,
- und Innovationen zu fördern, um Laden und Netzoptimierung intelligent per KI zu steuern.
Bereits 2022 hat die Internationale Energieagentur in einem Bericht gezeigt, dass sich in China – dem weltweit größten Markt für Elektrofahrzeuge – Investitionen in die Ladeinfrastruktur als viermal so wirkungsvoll für die Verbreitung von Elektrofahrzeugen erwiesen haben als Subventionen beim Kauf von Stromern.
Was für Verbrennungsmotoren die Tankstelle ist, ist für Elektroautos die E-Ladestation. Diese müssen leistungsstark, universell einsetzbar und sicher sein. DEKRA Sachverständige unterstützen bei Planung, System- und Komponentenwahl und prüfen Ladeinfrastruktur nach allen gängigen Normen. Weitere Infos unter
https://www.dekra.de/de/ladeinfrastruktur-elektromobilitaet/