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Mythos aufgedeckt: Oldtimer & Sicherheitsfeatures

Keine piepende Einparkhilfe, keine blinkenden Warnleuchten, kein surrendes ABS beim Selbstcheck. Stattdessen das pure, unverfälschte Fahrerlebnis vergangener Epochen. Doch genau diese Ursprünglichkeit sorgt für Diskussionen: Sind Oldtimer Sicherheitsrisiken auf vier Rädern oder wird ihr Gefahrenpotenzial maßlos übertrieben? Unser DEKRA Experte Carsten Bräuer bringt Fakten in die emotionale Debatte und erklärt, warum pauschale Urteile über Oldtimer-Sicherheit in die Irre führen.

Wie üblich: Das Baujahr zählt

„Der grundsätzliche Mythos stimmt natürlich, aber es hängt wie immer vom Baujahr ab“, erläutert unser Fachmann. Ein Fahrzeug aus dem Jahr 1994 oder Anfang 1995 verfügt bereits über moderne Ausstattungen wie Airbags für Fahrende und Beifahrende sowie ein ABS-System. Auch Sicherheitsgurte gehören selbstverständlich zur Ausstattung, diese sind auch schon in Fahrzeugen aus den 70er Jahren zu finden.
Wenn wir nochmal ein oder zwei Jahrzehnte früher betrachten, also die 1960er- und die späten 1950er-Jahre, dann waren jedoch oft nur – wenn überhaupt – Beckengurte verbaut – ohne den heute selbstverständlichen Aufrollautomaten. Je weiter wir in die Vergangenheit blicken, desto spartanischer wird die Sicherheitsausstattung. Beispielsweise fehlen Automobilen aus den frühen 50ern oder gar der Vorkriegszeit die Sicherheitsfeatures komplett: keine Servolenkung, keine Sicherheitsgurte und nicht einmal Scheibenbremsen, sondern lediglich Trommelbremsen.

Nachrüstung: Was ist möglich?

Die gute Nachricht: Mechanische Sicherheitssysteme lassen sich unter bestimmten Umständen nachrüsten. „Technische Änderungen sind dann erlaubt, wenn sie innerhalb von zehn Jahren nach der Erstzulassung erfolgt sind oder hätten erfolgen können“, erklärt Carsten Bräuer die H-Kennzeichen-Regelung.
Dreipunkt-Sicherheitsgurte können demnach bei Fahrzeugen aus den späten 1960er- oder frühen 1970er-Jahren nachgerüstet werden – vorausgesetzt, geeignete Befestigungspunkte sind vorhanden. „Das ist dann kein Problem in Bezug auf das H-Kennzeichen und dient ja auch der Steigerung der Sicherheit“, betont der Experte.
Elektronische Regelsysteme wie ABS oder Airbags sind hingegen nicht nachrüstbar. Das Crashverhalten damaliger Fahrzeuge war völlig anders, weshalb moderne Airbag-Systeme nicht auf alte Karosseriestrukturen abgestimmt werden können.

Grenzen der Nachrüstung

Bei sehr alten Fahrzeugen wie aus den 30ern oder 40ern wird eine Nachrüstung zunehmend schwieriger. Ohne geeignete Befestigungspunkte kann beispielsweise ein Gurtsystem seine lebensrettende Funktion nicht erfüllen. „Je älter, desto aufwendiger“, fasst Carsten Bräuer zusammen.
Außerdem muss erneut die H-Kennzeichen-Regelung beachtet werden: Wenn Sie dieses beibehalten wollen, so dürfen nur Änderungen am Wagen vorgenommen werden, die innerhalb von zehn Jahren nach der Erstzulassung hätten erfolgen können. Das H-Kennzeichen dient dem Erhalt des automobilen Kulturgutes – und dazu gehört auch die Präsentation des jeweiligen technischen Stands der entsprechenden Epoche.

Damit’s rollt

Ein wichtiger Sicherheitsaspekt, der oft übersehen wird, ist die Bereifung. Fahrzeuge aus den 1950er-Jahren kamen ursprünglich mit Diagonalreifen auf den Markt. Der Wechsel zu modernen Radialreifen würde erhebliche fahrdynamische Vorteile mit sich bringen – bessere Straßenlage, kürzere Bremswege und sichereres Fahrverhalten sprechen für die moderne Bereifung. Dabei muss jedoch eines beachtet werden: die Dimension. Der Wechsel von Diagonal- auf Radialreifen muss in der entsprechenden Dimension geschehen, um zu funktionieren.

Bewusstes Fahren als Sicherheitskonzept

„Die Fahrzeuge sind deshalb nicht per se unsicher“, stellt Carsten Bräuer klar. Unsicher werden sie erst, wenn sie in einer Art und Weise bewegt werden, die das Risiko unter anderem bei Kurvenfahrten oder nassen Straßen erhöht. Der Schlüssel liegt im bewussten Fahren: „Ich muss mir aktiv ins Gedächtnis rufen, dass ich keine Sicherheitsfeatures habe, damit ich meinen Fahrstil entsprechend anpasse.“

Praktische Hilfe für Oldtimer-Besitzende

1. Fachberatung nutzen: Spezialisierte Restauratoren und Werkstätten für klassische Fahrzeuge können bei Fragen zur Nachrüstung beratend helfen. Sie verfügen über die nötige Erfahrung, und wissen beispielsweise, welche geeigneten Befestigungspunkte sich bei bestimmten Fahrzeugen zum Nachrüsten von Sicherheitsgurten anbieten.
Auch unsere DEKRA Sachverständige an den Prüfstellen stehen Ihnen bei Fragen zur Verfügung und helfen bei der Bewertung möglicher Nachrüstungen.
2. Fahrsicherheitstraining: Ein Fahrsicherheitstraining für Oldtimer ist nach Ansicht unseres Experten nicht nur vernünftig, sondern „essentiell und wichtig, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen“. Schließlich bestimmt die Mensch-Maschine-Schnittstelle wesentlich das sichere Fortkommen mit einem klassischen Fahrzeug.

Fazit: Sicherheit durch Bewusstsein

Der Mythos über fehlende Sicherheitsfeatures in Oldtimern hat einen wahren Kern – besonders bei älteren Klassikern. Entscheidend ist jedoch das Bewusstsein für die technischen Gegebenheiten der jeweiligen Epoche. Mit angepasstem Fahrstil und entsprechender Vorbereitung lassen sich Oldtimer durchaus sicher bewegen.
Unser Tipp: Machen Sie sich vor dem Kauf eines Klassikers bewusst, welche Sicherheitsausstattung Sie erwarten können. Passen Sie Ihren Fahrstil entsprechend an und nutzen Sie die Möglichkeiten zur Weiterbildung. So wird Ihr Oldtimer-Erlebnis sicher und unvergesslich.
Oder kontaktieren Sie unsere kostenlose DEKRA Service Hotline: