Fahrradfahren im Winter – Sichtbarkeit ist das A und O

Author: Georg Weinand

17. Dez. 2025 Sicherheit im Verkehr

Kälte, Dunkelheit, Laub und Glätte: Der Winter fordert Radfahrer besonders heraus. Die DEKRA Experten Marc Gölz und Tilo Eilers geben Tipps, wie man sicher, sichtbar und mit Spaß durch die kalte Saison rollt.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) war im Jahr 2024 jeder sechste Verkehrstote in Deutschland bei einem Fahrradunfall zu beklagen – das sind rund 16 % aller Getöteten. Besonders betroffen waren ältere Menschen: Fast zwei Drittel der tödlich verunglückten Radfahrer waren 65 Jahre oder älter, und die Zahl der Unfälle mit Pedelecs stieg deutlich an. Die Statistik zeigt: Radfahren boomt – aber die Sicherheit bleibt ein Problem, vor allem bei schlechter Sicht und winterlichen Bedingungen.
Wenn die Tage kürzer werden, ist gute Beleuchtung deshalb das Wichtigste. „Das Licht am Rad entscheidet im Winter über Sicherheit und Sichtbarkeit“, betont Tilo Eilers, Fahrradsachverständiger bei DEKRA. Laut Straßenverkehrs-Zulassungsordnung muss ein Fahrrad vorn mit einem weiß leuchtenden Scheinwerfer und einem weißen Reflektor ausgestattet sein, hinten mit einem roten Rücklicht und Reflektor. Blinkende Rücklichter sind zwar auffällig, aber nicht zulässig. Zusätzliche Pedal- und Speichenreflektoren erhöhen die Erkennbarkeit enorm – besonders, wenn sie sich bewegen. „Bewegte Lichtpunkte helfen Autofahrern, Abstände besser einzuschätzen“, ergänzt Marc Gölz, Produktmanager Fahrradgutachten bei DEKRA.
Auch die Kleidung spielt eine entscheidende Rolle: „Lieber ein bisschen auffälliger als unsichtbar“, rät Eilers. Helle, reflektierende Jacken oder Hosenbänder machen den Unterschied, wenn man bei Dämmerung oder Nebel unterwegs ist.

Fahrverhalten im Winter anpassen

Ob feuchtes Laub, überfrierende Nässe oder Schneematsch – im Winter kann jeder Radweg zur Herausforderung werden. „Die meisten Stürze passieren, weil in der Kurve gebremst oder zu abrupt gelenkt wird“, erklärt Gölz. Vorausschauendes, ruhiges Fahren ist daher oberstes Gebot. Wer abrupt bremsen muss, verliert schnell die Haftung. Das gilt auf Laub genauso wie auf Brücken oder in Waldabschnitten. „Gerade Holzbrücken können selbst im Sommer rutschig sein – im Winter werden sie oft zur Eisbahn“, so Gölz.
Besonders tückisch sind Übergangszeiten. Viele Radler sind noch im „Sommermodus“, obwohl der Frost längst da ist. Sichtbar mehr Unfälle gibt es laut den DEKRA Experten in den ersten kalten Wochen – bis sich Fahrverhalten und Ausrüstung angepasst haben.
Während Sportfahrer bei Schnee lieber aufs Indoor-Training umsteigen, bleiben Pendler oft das ganze Jahr über auf dem Sattel. „Wer täglich fährt, weiß, was auf ihn zukommt“, sagt Gölz. Viele nutzen Spikereifen mit Stahlstiften für eisige Straßen und tragen reflektierende Kleidung. Dennoch: „Gerade E-Bike-Pendler sind im Winter eine Risikogruppe“, warnt Eilers. „Die hohe Geschwindigkeit wird oft unterschätzt – vor allem von Autofahrern, die bei Dunkelheit kaum mit einem Rad rechnen, das mit 25 Stundenkilometern heranrollt.“

„Immer dran denken: Gesehen werden ist das beste Sicherheitsfeature.“

Timo Eilers und Marc Gölz, DEKRA Fahrrad-Experten

Moderne Sicherheitstechnik hält nur langsam Einzug

Im Winter sinkt die Zahl der Fahrradunfälle insgesamt, weil weniger Menschen fahren. Doch die, die unterwegs sind, sind stärker gefährdet. Erfahrung, Sichtbarkeit und angepasste Geschwindigkeit sind hier entscheidend.
Auch bei Fahrrädern zieht die moderne Sicherheitstechnik ein. „ABS für E-Bikes gibt es schon – allerdings bislang nur im Premiumsegment“, sagt Eilers. Besonders bei glatten Straßen kann das Antiblockiersystem Stürze verhindern. Zukunftsmusik ist die sogenannte Vehicle-to-X-Kommunikation: Sie soll Autos und Fahrräder miteinander vernetzen, um gefährliche Situationen frühzeitig zu erkennen. „Das kommt vermutlich erst in ein, zwei Jahren in die Serie“, schätzt Fahrradexperte Eilers.
Schon heute verfügbar sind Radarsensoren, die vor sich nähernden Fahrzeugen warnen, und Rücklichter mit Bremslichtfunktion. „Technik ersetzt keine Vorsicht“, so Eilers, „aber sie kann im entscheidenden Moment helfen.“

Wartung, Reifen und Bremsen: Wintertauglich bleiben

Im Winter gilt: prüfen, pflegen, putzen. „Beleuchtung kontrollieren, Bremsbeläge checken, Kette ölen – das sollte vor jeder Fahrt selbstverständlich sein“, sagt Gölz. Besonders das Streusalz greift Metallteile an. Nach der Fahrt hilft ein kurzer Wasserstrahl gegen Salzreste, anschließend sollte die Kette mit einem zähflüssigen Öl nachbehandelt werden. Wer regelmäßig fährt, greift besser zu Bremsbelägen, die speziell für Nässe geeignet sind.
Auch bei den Reifen ist Anpassung gefragt. „Mehr Profil und etwas weniger Luftdruck erhöhen die Auflagefläche und damit den Grip“, erklärt Eilers. Für Vielfahrer sind sogar Spikereifen sinnvoll. Und wer das Beste will, greift zu radial aufgebauten Reifen – noch teuer, aber besonders griffig. „Am Reifen und an der Bremse sollte man nie sparen“, betont Eilers. „Das sind die Teile, die im Ernstfall über Sturz oder Sicherheit entscheiden.“

E-Bikes im Winter: Akku im Blick behalten

Kälte ist der Feind des Akkus. Sinkende Temperaturen verringern die Leistungsfähigkeit deutlich. „Unter fünf Grad verliert der Akku spürbar an Reichweite“, erklärt Eilers. Eine Neoprenhülle hält die Wärme länger, und wer sein Rad draußen parkt, sollte den Akku lieber mit ins Haus nehmen. Wichtig: nie im eiskalten Zustand laden. „Erst auf Zimmertemperatur bringen, sonst drohen Zellschäden“, warnt er. Optimal ist es, den Akku zwischen 10 und 85 Prozent geladen zu halten.
Auch die richtige Winterkleidung ist von großer Bedeutung: Mehrere dünne Schichten statt einer dicken Jacke – das ist das Prinzip der „Zwiebeltechnik“. Eine wind- und wasserabweisende Außenschicht schützt vor Auskühlung, atmungsaktive Materialien verhindern Hitzestau. „Ich fahre lieber mit einer neongelben Jacke, die jeder sieht, als stylisch in Grau und dafür unsichtbar“, sagt Eilers lachend. Auch Helmmützen oder Überzüge in Signalfarben helfen gegen Kälte und erhöhen die Sichtbarkeit. Gute Handschuhe und Überzieher für Schuhe schützen vor Wind und Nässe, ohne die Bedienung der Bremsen einzuschränken – es gibt quasi für jede Anforderung das richtige Equipment.

Wartungspflicht und DEKRA Check

Für Privatleute gibt es keine gesetzliche Wartungspflicht, wohl aber die Pflicht zur Verkehrssicherheit. Anders sieht es im gewerblichen Bereich aus: „Wenn ein Fahrrad als Arbeitsmittel genutzt wird, etwa bei Lieferdiensten, muss es jährlich nach der Betriebssicherheitsverordnung geprüft werden“, erklärt Eilers. Das kann eine Fahrradwerkstatt übernehmen – oder natürlich DEKRA. Viele Unternehmen nutzen bereits entsprechende Rahmenverträge.
Auch abseits des Berufsverkehrs bietet DEKRA regelmäßig Fahrrad-Checks an – in Kooperation mit Städten und Verbänden. Dabei werden Räder kostenlos auf Verkehrssicherheit geprüft. „Unser Ziel ist, dass Radfahrer das ganze Jahr sicher unterwegs sind“, betont Gölz.
Ob Freizeitfahrer oder Pendler: Wer aufmerksam fährt, gute Technik nutzt und sein Rad regelmäßig prüft, kommt auch im Winter sicher ans Ziel. Und falls doch einmal etwas passiert, steht DEKRA mit ihrem Fahrrad-Schadgutachten bereit. „Wir wünschen allen eine unfallfreie Saison“, sagen Eilers und Gölz unisono. „Und immer dran denken: Gesehen werden ist das beste Sicherheitsfeature.“