Mythos aufgedeckt: Können Klassiker bei Kälte ausgefahren werden?

Klassiker gehören in den Winterschlaf. Oder nicht? In unserem abschließenden Artikel der diesjährigen Mythos-Reihe zeigt DEKRA Experte Carsten Bräuer anhand praktischer Beispiele, dass Winterfahrten mit Oldtimern nicht nur möglich, sondern manchmal sogar empfehlenswert sind.

Es kommt – wie üblich – auf das Baujahr an

Unser Fachmann stellt gleich zu Beginn klar, die pauschale Aussage „Oldtimer kann man im Winter nicht fahren“ greift viel zu kurz. Entscheidend ist das Alter des Fahrzeugs. Ein „neuer Alter“ aus 1994 zählt mit seinen nun über 30 Jahren bereits als Oldtimer und kann problemlos wie ein Fahrzeug aus 2025 im Winter gefahren werden. Schließlich verfügen Fahrzeuge aus den 90er-Jahren bereits über moderne Sicherheitsausstattung wie ABS und Airbags. „Zwar gibt es davon teilweise in den älteren Automobilen nicht so viele wie in modernen, das genügt unter Umständen jedoch auch“, erklärt unser Spezialist.
Bei Fahrzeugen aus den 80er-Jahren sieht Carsten Bräuer ebenfalls keine grundsätzlichen Probleme. Je weiter wir allerdings zeitlich zurückgehen, desto anspruchsvoller wird es: „Die Korrosionsschutzvorsorge vor den 80er-Jahren war drastisch schlechter.“ Demnach steigt hier die Sorge vor Salzschäden bei Winterfahrten. Unser Experte gibt jedoch Entwarnung und betont, dass ein gut restauriertes Fahrzeug aus den 70er-Jahren so korrosionsgeschützt sein kann, dass es nicht sofort wieder anfängt zu rosten. Allerdings muss beachtet werden: Je älter das Fahrzeug, umso genauer muss der Rost erfasst und beseitigt werden.

Von Vorkrieg bis Käfer: eine Frage des Komforts

Selbst bei Vorkriegsfahrzeugen ist eine Winternutzung grundsätzlich möglich, wie unser Spezialist und begeisterter Rallye-Teilnehmer anhand persönlicher Erfahrung belegt. Er erinnert sich an eine Planai Classic – eine bekannte Winterrallye – bei der nur Fahrzeuge bis Baujahr 1974 teilnehmen dürfen. „In einem Jahr war ein Austin Seven mit dabei, das ist ein kleines schnuckeliges Auto der 1930er aus England und obenrum komplett offen. Die Fahrer mussten sich dementsprechend warm einpacken, hatten aber sonst keine Schwierigkeiten bei den winterlichen Bedingungen.“
Das wahre Problem liegt oft nicht in der Technik, sondern im Komfortempfinden. Während moderne Autos Sitz- und Lenkradheizung sowie Klimaanlagen mit sich bringen, bieten ältere Fahrzeuge diese Annehmlichkeiten meist nicht. Unser Experte nennt als weiteres Beispiel den VW Käfer: „Da mussten Sie die Scheibe von innen mit dem Eiskratzer freimachen, weil die Heizung entweder nie oder anders funktioniert hat“, erklärt er schmunzelnd.

Es gibt kein schlechtes Wetter …

… es ist alles nur eine Frage der Vor- und Nachbereitung. Zunächst müssen die Wetterbedingungen beachtet werden. In Deutschland gilt eine situative Winterreifenpflicht. Das bedeutet, bei entsprechenden Straßenverhältnissen sind Winterreifen vorgeschrieben. Dabei stellt sich die Frage, ob für den eigenen Oldtimer überhaupt Winterreifen verfügbar sind. Der Fachmann sagt: „Für Fahrzeuge ab den 50er-Jahren sind sie durchaus erhältlich, bei Vorkriegsfahrzeugen wird es schwieriger – aber auch hier gibt es Lösungen, wie zum Beispiel Schneeketten.“
Darüber hinaus betont er, dass niemand bei extremen Witterungsverhältnissen mit viel Schneefall und vereisten Straßen unbedingt mit einem Klassiker unterwegs sein sollte. Doch an trockenen, sonnigen Wintertagen sieht die Sachlage schon anders aus. Carsten Bräuer geht sogar noch weiter: „Eine vernünftige Bewegungsfahrt ist viel besser, als das Auto unnötig lange stehenzulassen, weil Standschäden bei Fahrzeugen nicht zu unterschätzen sind.“ Somit kann eine gelegentliche Winterausfahrt sogar förderlich sein.
Wer den eigenen Klassiker in den kalten Monaten bewegt, sollte auch die Nachbereitung nicht vergessen. Bevor der Wagen wieder in der Garage verschwindet, ist eine ordentliche Reinigung und Pflege nicht zu vernachlässigen. Insbesondere nach Fahrten auf gestreuten Straßen und bei Schnee sollte der Wagen mit viel Wasser gewaschen werden, um Korrosionsschäden zu vermeiden. Dies gilt für alle Fahrzeuge, unabhängig vom Alter.

Fazit: Mythos widerlegt

Die pauschale Behauptung „Oldtimer kann man im Winter nicht fahren“ erweist sich als falsch. Carsten Bräuer fasst zusammen: „Es gibt kein allgemeingültiges Argument gegen den Einsatz eines Oldtimers im Winter – also nicht als Alltagsfahrzeug, sondern einfach bei schönem Wetter für eine Ausfahrt.“
Entscheidend sind drei Faktoren:
  • Das Baujahr des Fahrzeugs
  • Die Witterungsbedingungen
  • Das persönliche Sicherheits- und Komfortempfinden
Je jünger der Oldtimer, desto problemloser die Winternutzung. Fahrzeuge aus den 80er- und 90er-Jahren können praktisch ohne Einschränkungen auch in der kalten Jahreszeit bewegt werden. Bei älteren Klassikern ist mehr Aufmerksamkeit gefragt, aber auch sie sind bei entsprechender Pflege und günstigen Bedingungen winterfest.

Finden Sie einen DEKRA Oldtimer Sachverständigen in Ihrer Nähe!

Gerne helfen Ihnen unsere Experten für klassische Fahrzeuge weiter.
Oder kontaktieren Sie unsere kostenlose DEKRA Service Hotline: