Aktive Fahrerassistenzsysteme: unsichtbare Lebensretter

Author: Thorsten Rienth

07. Jan. 2026 Mobilität der Zukunft

Notbrems- und Spurhalteassistent, Müdigkeitserkennung oder ESP – aktive Fahrerassistenzsysteme verhindern Unfälle oder reduzieren ihre Folgen. Testlabore wie von DEKRA sind das Rückgrat ihrer technischen Entwicklung.

Autos können heute mehr als nur fahren. Mitdenken zum Beispiel: Aktive Fahrerassistenzsysteme halten Abstand, korrigieren die Spur oder bremsen im Notfall. Oft, bevor die Fahrerin oder der Fahrer überhaupt reagiert. Was als Komfortfunktion begann, haben die Entwicklungsabteilungen der Autohersteller längst zu sicherheitsrelevanten Standards weiterentwickelt. Als digitale Co-Piloten „scannen“ die Systeme die nähere Umgebung sowie immer öfter auch das Fahrzeug selbst. „Sie sollen durch ihr Eingreifen Unfälle im besten Falle verhindern oder, wenn es schon dazu kommt, immerhin die Folgen reduzieren“, erklärt Christoph Bahnert, Experte für Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren im DEKRA Technology Center.

Fahrerassistenzsysteme auf dem Vormarsch

Die EU-Kommission rechnet damit, dass Fahrerassistenzsysteme allein bis zum Jahr 2038 mehr als 25.000 Verkehrstote und mindestens 140.000 Schwerverletzte verhindern können. Mittlerweile gelten daher EU-weit verbindliche Vorgaben: Neue Pkw müssen unter anderem mit Notbrems- und Spurhalteassistent und intelligentem Geschwindigkeitswarner ausgestattet sein. Gleiches gilt für adaptives Bremslicht, Müdigkeitserkennung per Kamera, Rückfahrassistent, eine Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren sowie einen Unfalldatenspeicher. Für Wohnmobile greifen die Vorgaben ab Juli 2026.
Zugleich werden viele weiterentwickelte Assistenzsysteme durch große Stückzahlen immer günstiger – weshalb Hersteller sie zunehmend auch in Kompakt- und Kleinwagen serienmäßig verbauen.

Wenn Vertrauen und Vorsicht kollidieren

Doch so ausgeklügelt die Technik aus Kameras, Radar, Ultraschall und Mikroprozessoren mittlerweile ist, am Ende bleibt der Risikofaktor Mensch. Aus zwei Hauptgründen, wie Experte Bahnert erklärt. „Die einen überschätzen sich und ihre eigenen Reflexe. Sie beachten Warnungen nicht, überfahren leichte Assistenzsystemeingriffe erst einmal oder schalten sie, wenn möglich, sogar ganz ab.“ Die anderen vertrauen den Copiloten offenbar blind. Dann schweift der Blick in die Landschaft oder aufs Smartphone. „Im Kopf entsteht dann das trügerische Gefühl, dass das Auto schon aufpasst.“
Beides sei falsch, unterstreicht Bahnert. Die Sensorik der Systeme erfasse und reagiere auf potenzielle Gefahren in Bruchteilen von Sekunden – ohne Ablenkung oder Ermüdung und damit verlässlicher, als ein Mensch es oft kann. Blinder Verlass bei assistierten Fahrfunktionen hilft allerdings auch nicht weiter. „Diese Fahrerinnen und Fahrer neigen dazu, ihre volle Konzentration nicht mehr auf die Straße zu lenken. Das verlängert ganz generell die Reaktionszeiten am Lenkrad.“ Böse Absicht oder generelle Ignoranz will Bahnert niemandem unterstellen. „Das Problem ist ja auch, dass viele Fahrerinnen und Fahrer die Systeme in ihrer Fahrausbildung gar nicht erlebt haben – schlicht, weil es sie damals noch gar nicht gab.“
Wichtig für den Hinterkopf: Jedes Assistenzsystem hat seine Stärken und Schwächen. Spurhalte- oder Notbremsassistenten reagieren nicht in jeder Situation perfekt. Spurhalteassistenten funktionieren beispielsweise nur auf gut markierten Straßen. Notbremsassistenten erkennen nicht jedes Hindernis zuverlässig. Umgekehrt sind auch Falschalarme nicht ausgeschlossen. „Der Name sagt es schon: Die Systeme assistieren. Sie ersetzen keine Aufmerksamkeit.“

„Der Name sagt es schon: Die Systeme assistieren. Sie ersetzen keine Aufmerksamkeit.“

Christoph Bahnert, Experte für Fahrerassistenzsysteme und automatisiertes Fahren im DEKRA Technology Center

Von Slalom bis Crash: So prüft DEKRA

Was die Systeme können, respektive nicht, das weiß Bahnert aus allererster Hand. Sein Arbeitsplatz befindet sich im hochmodernen DEKRA Technology Center bei Klettwitz in Brandenburg. Die Einrichtung ist als Euro NCAP-Labor für die aktiven Sicherheitssysteme akkreditiert und führt dabei Verbraucherschutztests an Pkw, Transportern und Lkw durch. NCAP steht für New Car Assessment Programme (deutsch: Neuwagen-Bewertungsprogramm). Dahinter liegt ein unabhängiges Testverfahren zur Bewertung der Fahrzeugsicherheit durch Crashtests und Fahrversuche. Die Systeme durchlaufen ein klar strukturiertes und umfassendes Prüfverfahren. Es berücksichtigt sowohl elektronische Komponenten als auch das Zusammenspiel mit dem Fahrzeug – und beides in dynamischen Fahrversuchen wie Kreuzungsszenarien und anderen komplexen Verkehrssituationen.
DEKRA ist Euro NCAP Testlabor für aktive Fahrzeugsicherheit. Mehr erfahren: www​.dekra​.de/euro-ncap-testlabor

Von Datenloggern bis Langzeittest: Sicherheit auf allen Ebenen

„Die Systeme müssen dabei verschiedene Verkehrssituationen erkennen und angemessen reagieren“, erklärt Bahnert. „Dabei simulieren wir Fahrzeuge und Testobjekte wie Fußgänger oder auch Fahrradfahrer, oft mithilfe ferngesteuerter Plattformen, um komplexe Verkehrslagen mit mehreren Akteuren abzubilden.“ Für fundierte Bewertungen erfassen Datenlogger und Messtechnikanlagen alle relevanten Parameter wie Reaktionszeiten, Bremskräfte, Abstandsmessungen und Eingriffshäufigkeiten. Langzeittests ergänzen diese sogenannten Echtzeittests, um Zuverlässigkeit und Ausfallraten auch statistisch zu ermitteln.

Expertentipp für mehr Sicherheit

Ob er noch einen Tipp habe, dessen sich eher wenige Fahrerinnen und Fahrer bewusst sind? Bahnert muss nicht lange überlegen. „Zum einen die Sensoren sauber halten und zum anderen sich darüber klar sein, dass Fahrzeugwartung heute auch wegen der Software-Aktualisierung unerlässlich ist“, lautet seine Antwort. Punkte, die in Zukunft noch wichtiger werden, blickt der Experte eben dorthin. „Die heute verbauten aktiven Fahrerassistenzsysteme legen das Fundament für hochautomatisiertes Fahren, auf dem Weg hin zum autonomen Fahrzeug.“
Echte Sicherheit mit DEKRA
Mit modernster Messtechnik, realistischen Tests und umfassender Expertise sorgen die DEKRA Prüfer dafür, dass Fahrerassistenzsysteme nicht nur Komfort, sondern vor allem echte Sicherheit liefern. Damit wird jedes Fahrzeug zum aktiven Lebensretter auf der Straße. Mehr Infos gibt’s hier: www​.dekra​.de/fahrassistenzsysteme