6. DEKRA Zukunftskongress Nutzfahrzeuge in Berlin

Die Transformation weiter vorantreiben

29. Okt. 2025
  • Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs bleibt große Herausforderung
  • Ausbau der Ladeinfrastruktur muss erheblich forciert werden
  • Augenmerk auf weitere Verbesserung der Sicherheitsausstattung

Sicher, effizient und nachhaltig – das sind die Anforderungen an den Nutzfahrzeugverkehr der Zukunft. Wie diese Ziele zu erreichen sind, diskutierten Experten und Praktiker aus Politik, Industrie, Forschung und Transportgewerbe beim 6. DEKRA Zukunftskongress Nutzfahrzeuge in Berlin. Im Mittelpunkt standen die Potenziale innovativer Technologien – von der Elektromobilität über alternative Kraftstoffe, Klimaziele und Flottengrenzwerte bis hin zu Fahrzeugsicherheit, Automatisierung, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sowie dem Stellenwert von Daten. Das alles vom schweren Lkw bis zur Auslieferung auf der „Letzten Meile“.

Alle Prognosen sind sich einig: Der Güterverkehr auf der Straße wird auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur könnte die Verkehrsleistung im Straßengüterverkehr in der EU bis 2050 ohne politische Eingriffe („Business-as-usual“-Szenario) auf etwa 2.500 Milliarden Tonnenkilometer ansteigen. Das wäre eine Steigerung um rund 30 Prozent gegenüber 1.900 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2020. Umso entscheidender sind jetzt die richtigen Weichenstellungen.
„Ein zukunftssicherer Güterverkehr bleibt unerlässlich für unsere Volkswirtschaften und für die Gesellschaft als Ganzes“, sagte Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH, bei der Eröffnung des Kongresses. Sicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit seien in Sachen Zukunftsfähigkeit des Nutzfahrzeugs eng verzahnt.
Genau diese Themen standen an den beiden Kongress-Tagen in den drei parallelen Themensträngen Nutzfahrzeug-Technologie, Digitalisierung und Logistik im Mittelpunkt. Der Kongress untermauerte mit rund 300 Teilnehmenden erneut seine Position als zentrale Plattform für die gesamte Transport- und Logistikbranche.

Technologieoffenheit ist weiterhin wichtig

Zu den beherrschenden Themen gehörte die Frage, wie die Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr beschleunigt werden kann. In diesem Kontext betonte Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, die Antriebswende sei ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz und schaffe auch Zukunftssicherheit am Standort Deutschland. „Der batterieelektrische Lkw wird dabei dominierend sein“, so Schnorr in seiner Keynote. Für Diesel-Lkw in der Bestandsflotte und für schwer elektrifizierbare Bereiche komme erneuerbaren Kraftstoffen eine große Bedeutung zu. Die Nachfrage nach Kraftstoffen auf pflanzlicher Basis, so genannten HVO (Hydrogenated Vegetable Oils), steige deutlich an, allerdings bestehe ein Mangel an biogenen Ausgangsstoffen.
Der Staatssekretär plädierte – wie auch andere Rednerinnen und Redner auf dem Kongress – für Technologieoffenheit und nannte alternative Antriebsformen wie Wasserstoff oder Hybridlösungen. Klar ist für Schnorr, dass Transportunternehmer für den Umstieg auf emissionsfreie Antriebe vor allem Planungssicherheit brauchen. Als „Hebel mit großer Wirkung“ bezeichnete er die vom EU-Parlament beschlossene Verlängerung der Mautbefreiung für Elektro- und Wasserstoff-Lkw bis Mitte 2031.

Die Zukunft ist Laden

Den Hochlauf beschleunigen soll auch der vom Bundesministerium für Verkehr vorgelegte „Masterplan Ladeinfrastruktur 2030“. Vorgesehen ist unter anderem der Aufbau eines Lkw-Schnellladenetzes entlang von Bundesfernstraßen mit 351 Stationen und 4.200 Ladepunkten, die den Anforderungen des Schwerlastverkehrs enstprechen. Johannes Pallasch, Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der NOW GmbH, sieht neben dem öffentlichen Laden vor allem im Depotladen einen Schlüsselfaktor: „Es ermöglicht effizientes und zuverlässiges Laden von E-Lkw auf Betriebsgeländen, während sie nicht im Einsatz sind“, so Pallasch. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Ladeinfrastruktur in Depots von mehreren Logistikunternehmen in Gewerbegebieten oder Logistikhubs gemeinschaftlich genutzt werden könne.
Wie zwei Vorträge auf dem Kongress zeigten, könnte statt der Ladepause auch ein Batteriewechsel ein Zukunftsmodell für schwere Nutzfahrzeuge sein. In China und weiteren asiatischen Staaten wird das schon seit Jahren praktiziert. Zurzeit dauert ein Batterietausch sechs bis zehn Minuten und soll in Zukunft noch schneller gehen.

Bessere Rahmenbedingungen und stabile Business Cases

Dass die Branche vor ehrgeizigen Klimazielen steht, unterstrich Thomas Fabian, Commercial Vehicles Director des europäischen Fahrzeugherstellerverbands ACEA, und verwies auf die geltende EU-Gesetzgebung. Danach müssen die CO₂-Emissionen neuer Lkw und Reisebusse bis 2030 um 45 Prozent, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 gesenkt werden. „Allein die Ziele ab 2030 werden wir nur erreichen, wenn ab diesem Zeitpunkt jedes Jahr mehr als ein Drittel aller verkauften neuen Lkw emissionsfrei ist“, gab Fabian zu bedenken. Hiervon sei man weit entfernt. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 machten laut ACEA emissionsfreie mittelschwere und schwere Lkw gerade mal 3,6 Prozent der Neuzulassungen in der EU aus. Fast vier von fünf ZEV entfielen dabei auf die fünf Märkte Schweden, Niederlande, Österreich, Dänemark und Frankreich.
Fabian hob – ebenso wie Hersteller wie Daimler Truck, MAN oder Scania – hervor, dass Fahrzeuge und Reichweiten nicht das Problem seien. „Die Hersteller haben längst ihre Hausaufgaben gemacht“, so Fabian. Ein großer Hemmschuh seien die nach wie vor ungünstigen Rahmenbedingungen unter anderem in Bezug auf die Ladeinfrastruktur. Erforderlich seien zudem stabile Business Cases für alle Unternehmen entlang der Transport- und Wertschöpfungsketten. „Der Benefit muss für wirtschaftlich rentable Gesamtbetriebskosten groß genug sein, damit Fuhrparkbetreiber rasch in Zero-Emission-Lkw investieren“, forderte Fabian.
Neben der Frage des Antriebs gingen verschiedene Referentinnen und Referenten beim 6. DEKRA Zukunftskongress auf die Herausforderungen und Chancen ein, die sich für Zulieferer und Trailerhersteller aus der Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung der Nutzfahrzeuge für das eigene Produkt-Portfolio ergeben. So zeigten Anbieter wie Knorr-Bremse, SAF-Holland, Kögel, Schmitz Cargobull, Krone oder BPW Bergische Achsen auf, mit welchen Konzepten sie dem Umbruch begegnen.

Verlässlichkeit automatisierter Systeme

Eine wichtige Rolle beim Kongress spielte die Sicherheit von Nutzfahrzeugen. So präsentierte Matthew Avery, Director of Strategic Development beim European New Car Assessment Programme (Euro NCAP), die 2024 gestartete und 2025 erneut durchgeführte Testreihe für schwere Lkw namens „Safer Trucks“. Euro NCAP prüft dabei, wie moderne Nutzfahrzeuge Unfälle verhindern, Insassen schützen und gleichzeitig die Sicherheit von ungeschützten Verkehrsteilnehmern gewährleisten. In den kommenden Jahren sind weitere Testreihen geplant, darunter zur Fahrzeugumfeldüberwachung, zum automatischen Manövrieren und zur Sicherheit von kleineren Verteiler-Lkw. 2028 wird Euro NCAP zudem erste Crashtests für Lkw mit Fokus auf dem Schutz von Pkw-Insassen bei Frontalzusammenstößen durchführen. Ab 2031 sollen dann auch Tests zur passiven Sicherheit in die Bewertungen einfließen. „Die Hersteller reagieren überwiegend positiv auf unsere Tests und nutzen sie für weitere Optimierungen der verbauten Systeme“, erklärte Avery.
Wie auf dem Kongress einmal mehr deutlich wurde, spielt rund um die Sicherheit auch DEKRA eine wichtige Rolle. Die Expertise geht dabei weit über Hauptuntersuchungen, Sicherheitsprüfungen und Gutachten hinaus. Wie Geschäftsführer Jann Fehlauer erläuterte, betreibt die Expertenorganisation am DEKRA Lausitzring im brandenburgischen Klettwitz Europas größtes herstellerunabhängiges Prüf- und Testzentrum für die Mobilität der Zukunft. „Nicht umsonst sind wir seit Anfang 2025 von Euro NCAP als Labor für das Thema aktive Sicherheit akkreditiert“, so der DEKRA Geschäftsführer. Bei szenarienbasierten Fahrzeugtests sei das Unternehmen Vorreiter. Mit so genannten Schwarmtests könnten beliebig komplexe Verkehrsszenarien nachgestellt werden, um Systeme des automatisierten Fahrens mit maximalen Anforderungen zu testen und damit ihren Einsatz im Straßenverkehr abzusichern.

Mehrwerte durch intelligente Telematik

Schließlich nahmen die Experten und Praktiker aus Industrie und Forschung auch ausgiebig den Status sowie die weiteren Entwicklungen in Sachen Digitalisierung und Logistik unter die Lupe. Im Mittelpunkt standen Fragen wie zum Beispiel: Wie passen Kundenservice, Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit auf der Letzten Meile zusammen? Wie gestaltet sich ganz grundsätzlich die Zukunft der urbanen Zustellung? Welche Effizienzpotenziale bietet die Kombination von Smart Parking und Charging? Wie lässt sich mit Hilfe von KI im Flottenmanagement die Sicherheit, Effizienz und Nachhaltigkeit erhöhen? Unter anderem wurde in Berlin auch erörtert, warum das Nutzfahrzeug- und Trailergeschäft der Zukunft nur noch mit starken Partnerschaften funktionieren kann und welche Wettbewerbsvorteile sich durch datengetriebenes Energiemanagement in der Logistik generieren lassen.