Demografischer Wandel: neue Arbeitswelten – neue Gefährdungen

Author: Thorsten Rienth

22. Okt. 2025 Sicherheit bei der Arbeit

Wie Unternehmen mit ergonomischen Hilfsmitteln, Weiterbildung und einem starken Safety Mindset Sicherheit und Produktivität verbessern.

Deutschland altert. Schon im Jahr 2035 wird jeder vierte Beschäftigte im Land über 55 Jahre alt sein. Zwar werden ältere Arbeitnehmer nicht generell häufiger krank als ihre jüngeren Kollegen. Doch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Muskel-Skelett-Leiden kommen mit zunehmendem Alter häufiger vor – und bedingen in der Regel längere Regenerationsphasen. „Sicherheit am Arbeitsplatz wird also zum doppelten Thema“, sagt Jörg Lobe, Leiter Fachbereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei DEKRA: „Beim Schutz von Menschen. Und bei der Sicherung der Wirtschaftskraft.“ Denn ausfallende Arbeit ist teuer. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) beziffert einen Durchschnittswert von 144 Euro pro Krankheitstag und Mitarbeiter.
Gut, dass sich zuletzt einiges änderte, wie Lobe berichtet. „Zum einen haben die gesetzlichen Pflichten rund um Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz zugenommen. Zum anderen hat sich das gesellschaftliche Bewusstsein für die Themen gewandelt. Die Wertigkeit ist heute deutlich höher als noch vor einigen Jahren.“

Physische Belastungen und digitale Risiken nehmen zu

„Age Management“ lautet der strategische Ansatz, mit dem Unternehmen Leistungs- und Arbeitsfähigkeit ihrer älter werdenden Beschäftigten verbessern. Besonders in Bau, Logistik und Pflege nennen ältere Mitarbeitende körperliche Belastungen als größte Herausforderung im Berufsalltag. Ansätze gibt es dem DEKRA Experten zufolge viele: Höhenverstellbare Arbeitsflächen, leichtere Werkzeuge oder Hilfsmittel wie Exoskelette, die besonders beanspruchte Körperpartien entlasten, verbessern die Ergonomie. Maschinen mit Assistenzfunktionen erleichtern Montageschritte oder das Heben. Besonders in Bau, Logistik und Pflege nennen ältere Mitarbeitende körperliche Belastungen als größte Herausforderung im Berufsalltag. Auch die Arbeitszeitgestaltung spielt eine Rolle – von kürzeren Nacht- und Wechselschichten bis zu flexiblen Teilzeitmodellen.
Fest steht, dass sich die Risiken im Arbeitsalltag in den zurückliegenden Jahren verschoben haben. Die Relevanz von bestimmten Gefahren im Bereich der Mensch-Maschine-Beziehung verlor durch Automatisierung und Digitalisierung an Relevanz. Dafür kamen neue Gefährdungen hinzu. Zum Beispiel Stress, ständige Erreichbarkeit oder Konflikte in hybriden Teams. So dokumentieren die Krankenkassen einen signifikanten Zuwachs bei psychisch bedingten Fehltagen. Rund 232 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherte zählt etwa der „DAK-Psychoreport 2025“. Damit hat sich die Anzahl der „AU“-Tage seit der Jahrtausendwende fast verdreifacht.
„Aus gesundheitlicher Perspektive ist der Wandel also zweischneidig“, erläutert Lobe – und gibt ein Beispiel aus der Logistikbranche. „Dort können Fahrerassistenzsysteme nachweislich helfen, Unfälle zu vermeiden – aber eine zu große Informationsflut könnte wiederum neue Belastungen schaffen.“ Technostress nennt die Wissenschaft dieses durch verstärkte Interaktion mit Informations- und Kommunikationstechnologien ausgelöste Phänomen. „Die Kunst liegt in einem praktikablen Mittelweg, der sich am jeweiligen Arbeitsplatz und der Tätigkeit orientiert.“
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Weiterbildung und Sicherheitskultur als Schlüssel

So unterschiedlich die Einzelmaßnahmen sein mögen, so steht gleichzeitig fest: der Qualifizierungsdruck nimmt zu. Ältere Belegschaften lernen in der Weiterbildung, neue Technik zu bedienen – zum Beispiel per E-Learning für flexible Wissensvermittlung. Jüngere benötigen Sensibilisierung für klassische Risiken – beispielsweise in Form von VR-Trainings mit realistischer Gefahrensimulation an Maschinen.
'Beinahe-Unfälle' zu melden ist wichtig für die Prävention.
Allein mit Weiterbildung und neuen Vorschriften ist die Herausforderung allerdings nicht gemeistert, betont Lobe. „Das ‚Safety Mindset‘, also das bewusste Wollen und Können von Sicherheit, ist entscheidend. Es muss das individuelle Bewusstsein herrschen: ‚Wir machen es für uns!‘ Führungskräfte seien dabei wichtige Vorbilder. „Wer ohne Helm auf der Baustelle arbeitet, sendet ein falsches Signal“, sagt der Experte. „Positive Kultur fördert dagegen die Meldung von Beinahe-Unfällen, die sehr wichtig für die Prävention sind.“
Zwischen den Unternehmen herrschen beim ‚Safety Mindset‘ noch immer große Unterschiede. Der DEKRA Experte verweist auf eine unlängst von DEKRA in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage zum Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen bis 500 Mitarbeitenden liegt nach wie vor viel Potenzial zur Verbesserung der Sicherheitskultur. Eine wahrscheinliche Erklärung: Je größer das Unternehmen, desto institutionalisierter ist auch der lange Weg zur positiven Sicherheitskultur.
Vielfältige DEKRA-Angebote
DEKRA unterstützt als Expertenorganisation mit vielfältigen Services Kundenbetriebe dabei, Ihr Level im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verbessern. Dazu gehört die arbeitsmedizinische Betreuung mit Vorsorgeuntersuchungen und Gefährdungsbeurteilungen beim betrieblichen Gesundheitsmanagement, Beratung bei der sicherheitstechnischen Betreuung sowie daraus abgeleitete individuelle Präventions- und Schutzmaßnahmen. Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung stellt DEKRA Angebote zu Stressmanagement, Ergonomie, Ernährung, Bewegung und psychosozialer Gesundheit bereit. Zudem umfasst das Portfolio diverse Schulungen, Unterweisungen sowie Fachseminare und Beratungen zur Stärkung betrieblicher Kompetenzen im Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit - eine lohnende Investition