Feststoffbatterien: Die Fahrt zum Wunderakku
Author: Thorsten Rienth
Hunderte Millionen Euro investieren Autohersteller und spezialisierte Unternehmen in die Entwicklung der Feststoffbatterie. Mit dem neuen Batterietypus wollen sie grundlegende Nachteile der bislang noch in Autos eingesetzten Lithium-Ionen-Batterien lösen.
Längere Reichweiten, kürzere Ladezeiten, höhere Sicherheit – so hört sich der Wunschdreiklang von so manchem Elektroautobesitzer an. Und er könnte in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen. Denn die Entwicklung von Feststoffbatterien, sogenannten Solid-State-Batteries (SSB), schreitet rasant voran: Toyota plant Feststoffbatterien bereits ab dem Jahr 2027 zu nutzen, Ford ab 2028, Hyundai und Mercedes spätestens 2030 sowie BMW ab 2030. In Form von Semi-Solid-Konzepten sollen SSB-Zellen sogar noch früher auf den Markt kommen und der Elektromobilität neuen Schub verleihen.
Verdoppelte Energiedichte
Aber von vorne. Der Hauptunterschied zu den derzeit vorwiegend in Autos verwendeten Lithium-Ionen-Batterien (LIB) liegt im Elektrolyt. In den konventionellen Stromspeichernist dieses Transportmittel für den Ionentransport zwischen Anode und Kathode flüssig. Bei Feststoffbatterien besteht er vollständig aus festen Materialien. Meist werden sie auf Sulfid-, Oxid-, Phosphat-, Polymer- oder Keramikbasis entwickelt.
Abhängig von der genauen Zusammensetzung weisen die Elektrolyte unterschiedliche Eigenschaften bezüglich Ionenleitfähigkeit, Stabilität oder Gewicht auf – und damit auch in Sachen Energiedichte. Abhängig von der ausgewählten Technologie peilen SSB-Hersteller Werte um 400 Wh/kg an, verweist das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI auf eine Erhebung aus dem Jahr 2024. Damit wäre die Energiedichte ungefähr doppelt so hoch wie bei Lithium-Ionen-Batteriezellen (aktuell 150 bis 200 Wh/kg). Im Umkehrschluss käme mit den neuen Wunderbatterien die 1.000-Kilometer-Marke von Elektroautos in Reichweite.
1.000 Ladezyklen, etwa 500.000 gefahrene Kilometer
Und nicht nur das: Vieles deutet darauf hin, dass Festkörperakkus auch deutlich beständiger sind. Im vergangenen Jahr etwa verkündeten Volkswagen mit seinem US-Partner Quantumscape den Abschluss eines Feststoffakku-Prototypentests. Demnach schaffte dieser mehr als 1.000 Ladezyklen, was zusammengezählt einer Lebensdauer von etwa 500.000 gefahrenen Kilometern entspricht. Von Nachrichtenwert war auch eine zweite Erkenntnis: Im Vergleich zum klassischen Lithium-Ionen-Akku altert die Zelle deutlich langsamer. Nach den Tests wies der Akku noch immer gut 95 Prozent seiner ursprünglichen Speicherkapazität auf.
Ein weiterer Unterschied ist für den Sicherheitsaspekt relevant. „Flüssige organische Elektrolyte sind flüchtig, leicht entzündbar und können Brand- oder Explosionsereignisse schlimmstenfalls beschleunigen“, erklärt Thomas Hucke, Leiter des im Bau befindlichen DEKRA Batterie Test Centers am Standort im brandenburgischen Klettwitz. Abhängig von den eingesetzten Materialien gilt: „Feststoffelektrolyte werden die chemischen Reaktionen im Fall der Fälle deutlich verlangsamen.“ Nicht zuletzt beschleunigt der Aufbau von Elektrode und Elektrolyt in sehr dünnen Schichten den Ionentransport. Die Batterie lädt also schneller.
Herausforderungen bis zur Markteinführung
Dass die neue Akku-Generation umfangreich in Fahrzeugen verbaut wird, dürfte Hucke zufolge nur noch eine Frage der Zeit sein. „Aktuell klingt die Technologie noch wie Zukunftsmusik. Sie kann aber schnell Realität werden.“ Die grundlegenden Erkenntnisse zu Materialien, Materialkombination und Machbarkeit lägen vor. Im kleinen Labormaßstab sehe der Entwicklungsstand recht vielversprechend aus. „Für die Hersteller besteht die große Herausforderung nun darin, die neuen Produktionsschritte erst zu validieren und dann zu skalieren – sowie parallel die nötigen Lieferketten aufzubauen.“
Eine weitere Hürde stellt das Materialverhalten im Betrieb dar. Die Anoden von Feststoffbatterien dehnen sich während der Lade- und Entladezyklen spürbar aus oder schrumpfen. Diese Effekte gilt es beim Design zu berücksichtigen. Sonst könnten Kontakte unterbrochen werden oder Risse entstehen. Die Ingenieure müssen also einen Weg finden, damit die Feststoffpaarung aus Elektrode und Elektrolyt trotz vieler Ladezyklen und weiten Temperaturbereichen funktional intakt bleibt.
Hucke schätzt: „Für die ersten kommerziellen Anwendungen ist das Jahr 2030 durchaus realistisch.“ Danach könne es, wenn Preis und Leistung stimmen, schnell gehen. „Die Nachfrage nach Elektroautos mit deutlich größerer Reichweite ist absolut vorhanden. Und wenn ein gutes Produkt auf einen ungesättigten Markt trifft, geht es erfahrungsgemäß sehr schnell.“
Einsatzszenarien jenseits der Automobilbranche
Einen Zwischenschritt macht derweil etwa der chinesische E-Autohersteller Nio. Er erweiterte die Antriebspallette seines ET7-Flagschiffs unlängst nach oben – und zwar per Semi-Feststoffakkutechnologie. Dabei handelt es sich um eine Hybridbatterie, die feste und flüssige Elektrolytmaterialien kombiniert.
Aber nicht nur die Automobilbranche schielt auf die neuen Wunderakkus. Der Flugzeughersteller Airbus umriss die ersten Skizzen eines A320neo-Nachfolgers, der zwischen 2035 und 2040 ins Luftfahrtgeschehen eingreifen soll. Feststoffbatterien könnten das Flugzeug nicht beim nur Rollen zur Startbahn sowie von der Landebahn an die Abstellposition unterstützen, sondern auch den Strom für Ausleuchtung und Klimatisierung der Kabine bereitstellen, der, ähnlich einer Lichtmaschine am Auto, bislang noch mit Generatoren in den Triebwerken gewonnen wird. Als stationäre Speicher für erneuerbare Energien wird der Feststoffbatterie ebenfalls großes Potenzial zugeschrieben.
Das neue
DEKRA Batterie Test Center
am DEKRA Lausitzring in Brandenburg nimmt Gestalt an. Es wird alle Arten von Batterietests unter einem Dach anbieten – neben mechanischen Untersuchungen, Leistungs- und Umweltprüfungen auch so genannte Abuse Tests. Schon heute unterstützt DEKRA umfassend bei der Entwicklungsbegleitung, Zulassung und Qualitätssicherung durch mechanische Untersuchungen, Leistungs- und Umweltprüfungen, Missbrauchstests von Batteriepacks und -modulen. Weitere Infos finden SIe hier:
https://www.dekra.de/de/batterie-test-center/