DEKRA Expertin zu Ablenkung am Steuer

„Multitasking“ wird schnell gefährlich

07. Okt. 2025 Sicherheit im Verkehr
  • Nicht nur Smartphone und Touch-Display können ablenken
  • Empfehlung: 100 Prozent Aufmerksamkeit aufs Fahren richten
  • Moderne Technik überlegt einsetzen

Telefonieren, Autoradio einstellen, das Navi bedienen, Textmessages lesen oder schreiben – Autofahrerinnen und Autofahrer lassen sich am Steuer häufig von der Fahraufgabe ablenken und gehen damit ein erhöhtes Unfallrisiko ein. „Der Begriff ‚Multitasking‘ mag gut klingen, in Wahrheit ist es nichts anderes als ein Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Aufgaben. Im Job geht das oft auf Kosten der Effizienz und Qualität; beim Autofahren wird es schnell richtig gefährlich, wenn man nicht mit dem Kopf bei der Sache ist“, warnt Stefanie Ritter, Unfallforscherin bei DEKRA.

„Autofahren heißt Verstehen, Entscheiden, richtig Reagieren, und das alles in Echtzeit – selbst in unerwarteten Notsituationen. Dazu brauchen wir 100 Prozent Aufmerksamkeit“, so die Expertin. In vielen Ablenkungssituationen steigt das Unfallrisiko um rund die Hälfte, so eine Studie der Allianz, etwa bei bestimmten Smartphone-Anwendungen, beim Lesen und Schreiben von Textnachrichten oder beim Bedienen der Navigation. Wer während der Fahrt im Bordcomputer einen ansprechenden Radiosender sucht, erhöht sein Unfallrisiko sogar noch stärker.
Viele scheint das wenig zu beeindrucken. Fast 43 Prozent schließen den Griff zum Mobiltelefon am Steuer nicht aus. Aus Sicht der Unfallforscherin eine riskante Haltung: Wer nur eine Sekunde abgelenkt ist, legt bei Tempo 80 über 22 Meter im „Blindflug“ zurück. Bei Tempo 50 im Stadtverkehr bleibt das Fahrzeug 14 Meter ohne Kontrolle.

Umschalten kostet wertvolle Zeit

„Wer vom Verkehr weg auf Display schaut, nimmt zentrale Informationen nur noch am Rande wahr, etwa ein Kind am Straßenrand, das Stau-Ende oder ein langsames Fahrzeug“, sagt die Unfallforscherin. „In einer Notsituation, die jederzeit auftreten kann, ist eine angemessene Reaktion oft nicht mehr möglich, denn das ‚Umschalten‘ kostet wertvolle Zeit.“
Nicht nur das Smartphone kann beim Autofahren stark ablenken. Auch Essen, Trinken oder das Tasten nach heruntergefallenen Dingen gehören dazu. Ebenso ziehen laute oder emotional aufgeladene Gespräche mit Mitfahrern oder auch zwischen den Mitfahrern viel Aufmerksamkeit vom Fahren ab. Selbst das Telefonieren mit Freisprecheinrichtung und das Eingeben des Fahrtziels per Spracheingabe kann stark ablenken. Für fordernde Telefonate oder die Navi-Programmierung sollte man daher besser anhalten.

Auch Suchen in modernen Displays lenkt ab

Auch die moderne Fahrzeugtechnik, die eigentlich beim Fahren unterstützen soll, verschärft das Ablenkungsproblem teilweise noch. In neueren Modellen mit Touch-Displays sind wichtige Bedienelemente mitunter im Menü versteckt und nur per Suchen und Tippen zu erreichen. Einer DEKRA Untersuchung zufolge kostet die Bedienung dann deutlich mehr Zeit, teilweise mehr als doppelt so viel als bei physischen Knöpfen. Entsprechend verlängert sich die „Blindfahrt“.
Die Vielzahl der Ablenkungsquellen schlägt sich auch in der amtlichen Unfallstatistik nieder, die seit 2021 Ablenkung als Unfallursache separat ausweist. Im Jahr 2024 war im Straßenverkehr bei insgesamt in 8.722 Unfällen Ablenkung die Ursache. Dabei wurden 106 Personen tödlich und 1.572 schwer verletzt. Unfallforscherin Ritter geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus. „Vieles lässt sich im Nachhinein nur schwer oder überhaupt nicht nachweisen.“ Darauf lassen auch weitaus höhere Zahlen aus dem Ausland schließen.

Moderne Technik sinnvoll einsetzen

Die Unfallforscherin appelliert, die moderne Technik, samt Smartphone, Freisprechsystem und Spracheingabe, sinnvoll einzusetzen. „Verzichten Sie auf unnötigen Gebrauch und konzentrieren Sie sich ganz aufs Fahren. Das ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, auch die Straßenverkehrs-Ordnung nennt klare Regeln.“
Laut StVO dürfen elektronische Geräte wie Smartphone, Touch-Displays oder Navis am Steuer nicht benutzt werden, wenn man das Gerät dazu in der Hand hält. Der Gebrauch ist nur mit Freisprecheinrichtung erlaubt, oder wenn der Motor ausgeschaltet ist. Verstöße werden mit mindestens 100 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg geahndet. Bei Unfall werden 200 Euro, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot fällig.

Ablenkungsunfälle vermeiden – das können Sie tun

  • Aufgaben mit Ablenkungspotenzial vor dem Losfahren erledigen: Sitzposition, Spiegel, Radiosender und Fahrtziel im Navi einstellen
  • Das Smartphone vor Fahrtantritt mit der Freisprecheinrichtung koppeln und außer Reichweite legen
  • Auch mit Freisprecheinrichtung am Steuer keine schwierigen oder emotional aufgeladenen Themen besprechen.
  • In fremden Fahrzeugen (Mietwagen, Car-Sharing etc.) sich vor dem Losfahren mit der Lage der wichtigen Bedienelemente vertraut machen (Blinker, Licht, Scheibenwischer, Lüftung, Warnblinker etc.)
  • Bei Fahrten mit Kindern Verpflegung und geeignete Unterhaltung mitnehmen
  • Sich vom Beifahrer unterstützen lassen (Navi einstellen…)
  • Möglichst keine negativen Emotionen mit ins Auto nehmen
  • Lieber eine Pause machen als sich zu Multitasking verleiten lassen