Mythos aufgedeckt: Alle Oldtimer steigen im Wert – oder nicht?

Der Glaube, dass alle Oldtimer automatisch im Wert steigen und dabei gilt „je älter, desto teurer", hält sich hartnäckig. Doch stimmt das wirklich? DEKRA Experte Carsten Bräuer nimmt diesen weitverbreiteten Mythos unter die Lupe und erklärt, welche Faktoren den Wert klassischer Fahrzeuge tatsächlich bestimmen.

Seltenheit schlägt Alter: Begehrlichkeit treibt den Preis

Die entscheidenden Variablen sind unserem Sachverständigen nach nicht nur das Alter, sondern vielmehr die Historie, Begehrlichkeit und Seltenheit. Ein bekanntes Beispiel, das den Mythos aufrechterhält, ist der Ferrari 250 GTO, der von bekannten Persönlichkeiten wie Nick Mason, Schlagzeuger bei Pink Floyd, gefahren wird. Der Experte sagt: „Nick Mason erwarb seinen 250 GTO 1977 für 37.000 Britische Pfund. In den letzten Jahren hingegen wechselten diese Fahrzeuge für Preise zwischen 30 und 50 Millionen Euro den Besitzer.“ Diese spektakulären Wertsteigerungen sind jedoch die absolute Ausnahme.
Ganz anders sieht es bei Massenprodukten aus: Bei Einzelstücken kämpfen alle Interessenten um das gleiche Objekt, während bei tausendfach produzierten Fahrzeugen der Preis nie solche Höhen erreicht. Ein normaler Golf 1 ist für 5.000 Euro zu haben, während der deutlich seltenere Golf 1 GTI der ersten Serie in sehr gutem Zustand erst für etwa 30.000 Euro zu erwerben ist.
Zur weiteren Veranschaulichung nennt der Fachmann den Porsche 968 Clubsport, der heute das etwa 1,5-fache eines normalen Porsche 968 kostet – und das, obwohl er einfacher ausgestattet und aus Gewichtsgründen weniger korrosionsgeschützt ist. Als Neuwagen war der 968 CS die günstigste Art, Porsche 968 zu fahren. Entscheidend sei hier die Seltenheit des Modells sowie der begehrte „Clubsport"-Schriftzug.
Laut Carsten Bräuer existiert zwar eine Korrelation zwischen Alter und Seltenheit, aber sie reicht nicht für pauschale Aussagen aus.

Emotion schlägt Datenblatt: Erinnerungen als Kaufargument

Die Begehrlichkeit als Hauptpreistreiber speist sich aus verschiedenen Quellen. Ausschlaggebende Kriterien sind neben Geschwindigkeit und Komfort auch emotionale Aspekte wie die Geschichte des Fahrzeugs oder seine Seltenheit. Viele Käuferinnen und Käufer verbinden mit den historischen Automobilen Kindheitserinnerungen. Der Experte berichtet von einem Kunden, der enthusiastisch Porsche-Oldtimer sammelte, aber auch einen Peugeot 205 Cabrio besaß – das Auto, mit dem er während des Studiums in seiner Heimat unterwegs war.
Heutzutage nehmen zudem Sicherheitsaspekte, Komfort und Bedienbarkeit bei der Kaufentscheidung eine größere Rolle ein. Während Vorkriegsfahrzeuge wie der Ford A zu Preisen von etwa 30.000 Euro erhältlich sind, bevorzugen viele zu einem ähnlichen Preis die zuverlässigeren, einfacher zu bedienenden und letztendlich sichereren Fahrzeuge aus den 1980er- oder 1990er-Jahren.

Auktionseffekt: Wenn der Jäger im Menschen den Preis treibt

Besonders bei Auktionen spielen psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle. Carsten Bräuer erklärt den sogenannten „eBay-Effekt": Auktionen, die mit einem Euro starten, führen regelmäßig zu höheren Verkaufspreisen als Festpreisangebote. Hier zeige sich der Jäger im Menschen. Oft kämpfen wenige Interessenten um dasselbe Objekt und treiben die Preise mitunter in unvorhersehbare Höhen, die objektiv nicht immer erklärbar sind.

Fazit: Alter alleine macht keinen Wert

Der Mythos „je älter, desto teurer“ greift zu kurz. Unser Fachmann betont, dass zur Preisfindung eines Oldtimers mehr Kriterien gehören als nur das Alter. Entscheidend sind vielmehr Zustand, Historie, Seltenheit, Begehrlichkeit, persönliche Bindung und emotionale Aspekte. Wertentwicklung ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren, und das Alter allein macht noch keinen wertvollen Oldtimer.